Fussball-Talk: FCB muss Fehlstart korrigieren – YB-Test in Winti
In der Super League geht es bereits richtig zur Sache. Meister FCB verliert, YB gewinnt in Überzahl – und alle Zürcher patzen. Willkommen beim Fussball-Talk.

Das Wichtigste in Kürze
- Meister FCB verliert auswärts beim FC St.Gallen mit 1:2.
- YB gewinnt nach langer Überzahl gegen Vizemeister Servette mit 3:1.
- Alle Zürcher Clubs verlieren zum Saisonstart mit 2:3.
- Sportchef Christoph Böhlen und Fussball-Chefreporter Mischi Wettstein im Gespräch.
Nau.ch: Die erste Runde der Super League ist gespielt – und es war gleich einiges los! Starten wir beim FCZ, der gegen Sion ein 2:0 verspielt. Mischi, wie war es im Stadion?
Mischi Wettstein: Zu diesem Spiel habe ich alles gesagt: Trainer Mitchell van der Gaag hat sich am Schluss vercoacht, damit ist das Thema erledigt. Seine Wechsel haben den FCZ ins Elend geführt.
Christoph Böhlen: Das ist mir zu einfach, Mischi. Klar haben seine Wechsel nicht funktioniert. Aber die Fehler machen die Spieler immer noch selber.
Was Goalie Brecher und seine Hintermannschaft beim dritten Tor anstellen – da kann auch van der Gaag nichts machen. Dass Brecher im Interview mit dir dann auch noch die Schuld von sich weist, finde ich heikel. Diesem jungen Team fehlt es an Abgebrühtheit.
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Mischi Wettstein: Nein! Captain Brecher macht eine klare Ansage, da müssen die Jungen einfach ohne zu zögern reagieren. Dann kommt es gar nicht zum dritten Gegentreffer.
Der FCZ hat bis zu den Wechseln scheinbar alles im Griff. Die Schwachstelle hinten links haben sie gleich am Samstag mit dem Zuzug von Routinier Milan Rodic behoben. Zudem kommen mit Perea und Tramoni zwei Offensivspieler. Um den FCZ muss sich niemand sorgen.
Nau.ch: Tags darauf hast du im Letzigund wieder fünf Tore gesehen: GC vergibt gegen den FCL zweimal eine Führung und verliert.
Mischi Wettstein: Einige gute Ansätze gibt es bei den Hoppers – aber auch Baustellen. Der Teamspirit stimmt, jeder geht für den anderen, wie es von Sportchef Alain Sutter gepredigt wird. Was dem FCZ hinten links fehlte, gilt bei GC hinten rechts. Das war am Samstag die Schwachstelle. Ausserdem ist Decarli kein Abwehrchef – hier hat GC noch Handlungsbedarf.

Christoph Böhlen: Bei den Hoppers kritisierte man während der Vorbereitung, dass es an Routiniers fehlt. Genau das hat man jetzt gesehen: Mit etwas mehr Erfahrung gibst du das Spiel nicht aus der Hand. Was mir aber gefallen hat, war das hohe Pressing, das Gerald Scheiblehner zu Spielbeginn aufziehen liess.
Mischi Wettstein: Und trotzdem jubelt am Ende der FCL! Sie holen zweimal einen Rückstand auf. Da muss man sagen: Matteo Di Giusto ist ein genialer Zuzug. Er passt wie die Faust aufs Auge zum FCL. Es ist eher verwunderlich, dass es den Luzernern gelungen ist, ihn zu holen.

Matteo hätte auch anderen Teams gut gestanden. Dafür ein dickes Kompliment an Sportchef Remo Meyer. Und: Was beim FCL immer nachkommt, ist beeindruckend. Super-League-Debütant Britschgi ist ein Versprechen für die Zukunft. Und der eingewechselte Ferreira erzielt bei seinem Debüt schon nach sechs Minuten das Siegestor.
Nau.ch: Die Überraschung des Spieltags: Der FCSG gewinnt zuhause gegen Meister FCB. Wie ist denn das passiert?
Christoph Böhlen: Also für dich gab es ja nur Überraschungen, Mischi? Du hast in unserem Tippspiel keinen einzigen Treffer gelandet.
Mischi Wettstein: Ich bin überrascht, dass wir heute überhaupt sprechen. Ich habe dir nach meiner Tipp-Bilanz meinen Rücktritt angeboten...
Aber bleiben wir beim Spiel in St. Gallen: Ich erinnere mich an eine Chance von FCB-Ajeti. Wenn die reingeht, kommt es wohl anders. Schade für Neu-Trainer Magnin, ich hätte Ludo einen guten Start gewünscht!
Jetzt erwarte ich eine klare Reaktion am Wochenende. GC tut mir leid, sie müssen zum dümmsten Zeitpunkt ins Joggeli. Denn: Der FCB kann es sich nicht erlauben, sein Heimspiel nicht zu gewinnen.

Christoph Böhlen: Beim FCSG hat mich Lukas Görtler beeindruckt. Er reagiert mit dem Ausgleich auf sein unglückliches Eigentor. Und es zeigt sich: Wenn Stürmer Geubbels den Club noch verlässt, hat der FCSG ein Problem.
Beim FCB halte ich an meiner Meinung fest: Das Team ist nur so gut, wie der Formstand von Xherdan Shaqiri. Und am Samstag war er für einmal nicht gut. Shaq war vor allem mit Gestikulieren und Händeverwerfen beschäftigt. Dreht er auf, gewinnt der FCB gegen GC – aber wenn nicht, traue ich den Hoppers einen Punkt zu.
Mischi Wettstein: Lass mir König Shaq in Ruhe! Kaum gewinnen deine Gelb-Schwarzen Berner, fängt dein Übermut bereits wieder an...

Nau.ch: A propos Berner: Erster Leader der neuen Saison ist YB, Servette wird mit 3:1 bezwungen.
Christoph Böhlen: Die erste halbe Stunde war sehr eindrücklich: YB zieht ein starkes Gegenpressing auf und ist mit den Neuzugängen Edimilson und Wüthrich physisch deutlich stärker geworden. Der einzige Makel: Man machte zu spät den Deckel zu und lässt die Servette-Hoffnung mit dem Anschlusstor am Leben. Und das trotz langer Überzahl.
Mischi Wettstein: Danke für das Stichwort! Nichts gegen YB, aber diese Doppelbestrafung bei Rot und Penalty für Mazikou nach acht Minuten hat das Spiel gekillt. Was soll das? Ich dachte, es gäbe keine Doppelbestrafung mehr?

Christoph Böhlen: SRF-Experte Fabian Frei hat das bei seinem gelungenen TV-Debüt in der Pause erklärt. Mazikou trifft die falsche Entscheidung, er macht das Foul oben – dann zählt der letzte Moment des Fouls. Und der ist innerhalb des Sechzehners.
Macht er das Foul unten und vor dem Strafraum, dann wäre es Rot und Freistoss. Unten und im Sechzehner wäre es Penalty und Gelb.
Mischi Wettstein: Das muss ich nicht verstehen… Für mich ist die Doppelbestrafung einfach Schrott. Und zum YB-Sieg: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer!
Christoph Böhlen: Da muss ich dir ausnahmsweise recht geben: YB hat auch letzte Saison die meisten Punkte gegen die Top-6-Teams geholt. Der richtige Qualitätstest folgt am Samstag in Winterthur. Das sind Spiele, die YB letzte Saison den Titel gekostet haben.
Nau.ch: Dann wechseln wir gleich zum FCW: Winterthur reist mit leeren Händen aus Lausanne ab, trotz zweimaliger Führung.
Mischi Wettstein: Wenn FCW-Durrer den Penalty nicht verschuldet und nicht vom Platz fliegt, holt Winti wohl mindestens einen Punkt. Doch wie der Ball vor dem Lausanner Siegestor überhaupt noch in den Strafraum kommt, war auch nicht gut verteidigt! Diaby muss diese Flanke verhindern.
Über 90 Minuten gesehen hat Lausanne mehr für das Spiel gemacht – der Sieg ist nicht gestohlen. Aber bitter für Winti: Ich hätte der Truppe von Uli Forte zum Start Punkte gewünscht. Es ist unfassbar: Alle drei Zürcher Clubs verlieren zum Start mit 2:3. Das wird es so wohl nie mehr geben.
Christoph Böhlen: Für mich war nicht FCW-Durrer der Hauptfaktor in diesem Spiel, sondern Lausanne-Stürmer Gaoussou Diakité. Die 19-jährige Salzburg-Leihgabe hat das Zeug zur Liga-Attraktion! Da könnte Lausanne ein Top-Transfer gelungen sein.

Nau.ch: Kommen wir zum letzten Spiel der Runde: Aufsteiger Thun düpiert Lugano und gewinnt 2:1 im Tessin.
Christoph Böhlen: Ich habe Thun einen Punkt zugetraut, weil ich davon ausging, dass Luganos Konzentration der Europacup-Quali gilt. Und die Aufstellung (ohne Steffen, Zanotti und Alioski) deutete ja auch darauf hin. Dass die Thuner aber gleich gewinnen, hätte ich nicht erwartet.
Mischi Wettstein: Du hast den Thunern wohl nur einen Punkt zugetraut, wegen deines Wohnsitzes, du Heuchler. Aber erinnere dich ein Jahr zurück: Da hatte Sion mit dem Startsieg gegen YB den Aufstiegs-Schwung mitgenommen und ist optimal in die Saison gestartet.
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Christoph Böhlen: An das Spiel erinnere ich mich, danke. Und was mir nach dem Thuner Sieg von gestern in Erinnerung bleibt: der Traumfreistoss von Ex-YB-Junior Leonardo Bertone. Eine Riesenkiste!
Mischi Wettstein: OMG, steh mal auf die Bremse! Ich schätze Lugano-Goalie Amir Saipi sehr. Aber den muss er einfach halten, ohne Wenn und Aber. Und das weiss er selber am besten.
Nau.ch: Was ist euch sonst noch aufgefallen?
Mischi Wettstein: Natürlich der Blick in die Challenge League: Aufsteiger Rappi erstaunt mit einem Startsieg über Carouge.
Und: Der FC Aarau zeigt eine beachtliche Reaktion auf den Rückstand gegen Bellinzona. Auch wenn das Spiel danach im Regen absäuft und abgebrochen wird: Der FCA hat seine Ambitionen unterstrichen.
Christoph Böhlen: Ich möchte den Schweizer Organisatoren der Frauen-EM in der Schweiz ein Kränzchen winden. Was für ein Anlass – und beste Werbung für den Frauenfussball und die Schweiz als Austragungsort.
