EU will Stahlindustrie durch doppelte Zölle schützen
Um die heimische Stahlindustrie zu stärken und Arbeitsplätze zu sichern, will die EU die Zölle auf Stahl ausweiten.

Die EU bereitet eine fundamentale Neuausrichtung ihrer Handelspolitik im Stahlsektor vor. Kommissar Stéphane Séjourné kündigte an, die Zollsätze für überschüssige Stahlimporte von derzeit 25 auf künftig 50 Prozent anzuheben, so «ZDFHeute».
Parallel dazu sollen die zollfreien Einfuhrkontingente erheblich gekürzt werden, auf etwa die Hälfte der bisherigen Mengen. Diese radikale Änderung zielt darauf ab, die europäische Stahlindustrie vor preisaggressiver Konkurrenz aus Drittländern zu bewahren.
Der Vorschlag muss noch das komplexe EU-Gesetzgebungsverfahren durchlaufen und die Zustimmung von Parlament und Mitgliedstaaten erhalten. Séjourné bewirbt die Initiative als Kernstück einer europäischen Reindustrialisierungsstrategie.
EU will Stahlinudstrie vor chinesischen Marktverzerrungen absichern
China dominiert die globale Stahlproduktion mit einer jährlichen Kapazität von über einer Milliarde Tonnen. Brüssel beschuldigt Peking, durch umfangreiche Staatssubventionen künstliche Wettbewerbsvorteile zu schaffen und den Weltmarkt zu verzerren.
Die EU-Behörden befürchten der «Tagesschau» zufolge eine Verlagerung chinesischer Exporte von den USA nach Europa infolge amerikanischer Zollerhöhungen. Diese Entwicklung könnte europäische Hersteller zusätzlich unter Preisdruck setzen und ihre Marktposition weiter schwächen.

Ironischerweise distanziert sich die EU mit diesen protektionistischen Massnahmen von ihren traditionellen Freihandelsprinzipien. Gleichzeitig demonstriert Brüssel Solidarität mit Washington im gemeinsamen Vorgehen gegen chinesische Handelsüberschüsse.
Deutschlands Stahlindustrie unter Druck
Deutschland ist mit 37 Millionen Tonnen Jahresproduktion Europas grösster Stahlproduzent und rangiert global auf Position sieben. Deutsche Stahlunternehmen leiden jedoch unter einer Kombination aus schwacher Automobilnachfrage, hohen Energiekosten und kostspieligen Klimaschutzinvestitionen.
Industriegiganten wie ThyssenKrupp Steel und ArcelorMittal durchleben eine tiefgreifende Strukturkrise mit Personalabbau und Produktionskürzungen. Die Branchenumsätze schrumpften 2024 erneut um 5,3 Milliarden Euro auf nur noch 45,3 Milliarden Euro.
Kanzler Merz plant laut «ZDFHeute» einen Herbst-Gipfel zur Rettung der angeschlagenen Stahlindustrie. Rund vier Millionen Beschäftigte in stahlverarbeitenden Branchen und 80'000 direkte Stahlarbeiter verdeutlichen die gesellschaftliche Tragweite der Krise.
Geteilte Reaktionen auf Kommissionsvorschlag
Stahlkonzerne feiern die angekündigten Schutzmassnahmen als überfällige Antwort auf jahrelange Marktverzerrungen durch Billigkonkurrenz. ThyssenKrupp Steel Europe würdigt den Kommissionsvorschlag als entscheidenden Beitrag zum Erhalt europäischer Industriestrukturen, berichtet die «FAZ».

Europaparlamentarier verschiedener Fraktionen signalisieren parteiübergreifende Unterstützung für die geplanten Zollverschärfungen. CDU-Politiker Dennis Radtke und Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini bewerten die Initiative als notwendigen und längst überfälligen Industrieschutz.
Maschinenbauverbände äussern laut der «Tagesschau» hingegen Bedenken wegen zu erwartender Preissteigerungen bei ihrem wichtigsten Rohstoff. Der Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) plädiert stattdessen für strukturelle Reformen wie Energiepreissenkungen, die der gesamten Industrie zugutekommen würden.