Kovic: «Kniefall vor Donald Trump zeigt, wie Populisten ticken!»
«Donald Trump demütigt die Schweiz mit dem Zoll-Deal – und die SVP jubelt», schreibt Marko Kovic.

Das Wichtigste in Kürze
- Der bekannte Sozialwissenschaftler Marko Kovic schreibt regelmässig Kolumnen auf Nau.ch.
- Heute schreibt Kovic über den Zolldeal der Schweiz mit den USA.
- Muss man das Ergebnis dieser Trump-Erpressung bejubeln, wie es die SVP tut?, fragt Kovic.
Die Trump-Regierung führt seit Monaten einen albernen Kampf gegen Handelsdefizite. Donald Trump und seine Berater glauben, dass es schlecht ist, wenn die USA mehr Güter aus einem Land importieren als dieses Land aus den USA importiert.
Länder mit einem solchen Handelsdefizit werden von Donald Trump mit Zöllen bestraft. Die Schweiz traf es mit satten 39 Prozent besonders hart.
Für Schweizer Unternehmen, die viel in die USA exportieren, waren diese Zölle verständlicherweise ein Schock. Und ebenso verständlich ist, dass die Schweizer Politik und exportorientierte Unternehmen versucht haben, die Lage zu entschärfen.
Das haben sie nun geschafft: Anstatt mit 39 Prozent wird die Schweiz jetzt «nur» mit 15 Prozent Zollgebühr bestraft.
Korruption vor laufender Kamera
Das Zünglein an der Waage waren vielleicht die Schweizer Wirtschaftsvertreter, die Donald Trump im Oval Office empfingen. In bester Bananenrepublik-Manier beglückten sie Donald Trump vor den Augen der Weltöffentlichkeit mit einer goldenen Rolex-Uhr, einem Goldbarren und weiteren Geschenken. Früher wäre Korruption vor laufender Kamera ein Skandal, heute ist es normaler Bestandteil der Trump-Show.

Aber gut. Egal, wie er zustande gekommen ist: Der «Deal» steht. Und die Freude ist gross. Zumindest bei der Schweizerischen Volkspartei SVP, die den Deal und ihren Bundesrat Guy Parmelin feiert.
Deal? Es ist eine vulgäre Erpressung
Eine Reduktion der Zölle von 39 Prozent auf 15 Prozent ist aus Sicht der Schweiz natürlich grundsätzlich positiv. Unter dem Strich steht die Schweiz mit 15 Prozent aber immer noch schlechter da als vor Donald Trump.
Wenn man von einem «Deal» spricht, bedeutet das in der Regel aber, dass beide Parteien etwas von der Einigung haben. Was hat die Schweiz vom Trump-Deal im Vergleich zur Zeit vor Donald Trump? Nichts. Der «Deal» ist kein Deal. Er ist eine vulgäre Erpressung. Der Trump-Deal ist ein öffentlich ausgetragenes Demütigungsritual.
Die Spitze des Eisbergs
Die Schweiz hat sich zusammen mit Liechtenstein dazu verpflichtet, dass der private Sektor bis 2028 ganze 200 Milliarden Dollar in den USA investieren muss; 67 Milliarden davon schon 2026. Im Gegenzug investieren die USA in der Schweiz – nichts und wieder nichts.
Aber das ist erst die Spitze des Eisbergs. Das Weisse Haus hat weitere Details des Deals kommuniziert. Die Schweiz muss in Zukunft mehr Fleisch aus den USA importieren, inklusive Hormon-Rindfleisch und Chlor-Hühnchen.
Die Schweiz muss auch amerikanische Sicherheitsstandards für Fahrzeuge übernehmen. Das bedeutet, dass Fahrzeuge wie der Tesla Cybertruck, der aktuell in der Schweiz nicht zugelassen ist, zugelassen werden müssen.
Ein phänomenaler Deal, aber nur für eine Seite
Die Schweiz darf keine Steuern auf Dienstleistungen amerikanischer Techunternehmen erheben, die in der Schweiz Geld verdienen. Und die Schweiz muss in Zukunft der amerikanischen Aussenpolitik folgen und Exportbeschränkungen und Sanktionen, die die USA anderen Ländern auferlegen, übernehmen.
Die Schweiz beschenkt Donald Trump mit Gold, und im Gegenzug darf die Schweiz dafür zu Trumps Vasallen werden. Mit 15 Prozent Zöllen obendrauf. Das ist in der Tat ein phänomenaler Deal, aber nur für eine Seite.

Schweiz sitzt am kürzeren Hebel
Die Realität der Situation ist natürlich, dass die USA als Supermacht die kleine Schweiz problemlos zur Kapitulation zwingen können. Die USA können der Schweiz viel mehr Schaden zufügen als die Schweiz den USA.
Unter Trump sind Diplomatie und Kooperation tot. Stattdessen zählt nur Macht. Die Schweiz sitzt am kürzeren Hebel. Diese Machtasymmetrie ist offensichtlich. Es war klar, dass die Schweiz unter dem Strich leiden wird.
Ein himmelschreiender Widerspruch
Aber muss man das Ergebnis dieser Trump-Erpressung bejubeln, wie es die rechtspopulistische SVP tut? Muss man als Partei, die auf Neutralität und Unabhängigkeit pocht, lautstark feiern, dass sich die Schweiz wirtschaftlich und aussenpolitisch an die Launen der Trump-Regierung bindet?
Rational betrachtet ist die Situation natürlich ein himmelschreiender Widerspruch.
Die SVP ist die Partei der Neutralität und des Alleingangs. Darum kämpft die SVP gegen Verträge mit der EU, welche sie als eine Art existenzielle Bedrohung für die Schweiz versteht.
Grosse ideologische Übereinstimmung
Dann aber gleichzeitig in Euphorie zu verfallen, weil die Schweiz unilateral massive Zugeständnisse an die USA macht und im Gegenzug dafür nichts erhält, ist absurd.
Oder besser gesagt: Es ist aus einer rationalen Perspektive absurd. Aber populistische Akteure wie die SVP sind nicht rational. Sie sind in erster Linie ideologiegetrieben.
Und zwischen der SVP und Trump gibt es grosse ideologische Übereinstimmung. Trump ist das, was SVPler sein wollen. Trump, SVP, FPÖ, AfD – internationale Populisten sind Brüder im Geiste.
Donald Trump gut, EU schlecht
Wenn die SVP Freudensprünge macht, weil Trump mit der Schweiz das macht, was die SVP der EU vorwirft, ist das nicht, wie man meinen könnte, Heuchelei.
In den Köpfen von SVPlern ist das genau richtig. Weil Trump «der Gute» ist, muss es darum gut sein, wenn er mit der Schweiz macht, was er will. Die EU hingegen, das sind «die Bösen». Und alles, was die EU macht, ist darum immer schlecht.
Populisten sind nicht rationale Akteure, sondern ideologische.
Schwarz oder weiss
Die Frage, was richtig und was falsch ist, richtet sich nicht nach Fakten und Logik, sondern schlicht nach ideologischer Stimmigkeit. Trump gut, EU schlecht.
Das ist der Kern des populistischen Mindsets. Die Welt besteht aus einfachsten moralischen Schablonen. Das ist eine sehr schöne Art, die Welt zu erleben. Man muss sich nicht durch die vielen Grautöne der Realität stören lassen.
Alles ist immer entweder schwarz oder weiss. Alles ist immer vollkommen klar. Man braucht sich nicht den Kopf zerbrechen.
Populismus ist die politische Heimat für alle, denen eigenständiges Denken Mühe bereitet.
Zum Autor
Marko Kovic ist Gesellschaftskritiker. Er interessiert sich für gesellschaftlichen Wandel und die Frage, ob wir noch zu retten sind. Er lebt in Uzwil SG.












