Donald Trump drängt: So realistisch sind Neuwahlen in der Ukraine
US-Präsident Donald Trump drängt die Ukraine zu Neuwahlen. Präsident Selenskyj reagiert prompt mit Bereitschaft. Doch ein Urnengang scheint unrealistisch.

Das Wichtigste in Kürze
- US-Präsident Donald Trump sprach sich in einem Interview für Wahlen in der Ukraine aus.
- Der ukrainische Präsident Selenskyj reagierte umgehend und erklärte sich bereit dazu.
- Experten sind sich aber einig: Neuwahlen werden in der Ukraine ein Ding der Unmöglichkeit.
US-Präsident Donald Trump hat sich für Neuwahlen in der Ukraine ausgesprochen. In einem Interview mit dem Nachrichtenportal «Politico» sagte er: «Ja, ich denke, es ist an der Zeit. Ich denke, es ist ein wichtiger Zeitpunkt, um Wahlen abzuhalten.»
Er warf der Ukraine vor, die russische Offensive lediglich als Vorwand zu nutzen, um keine Neuwahlen durchzuführen. Kurz darauf sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor Journalisten: «Ich habe persönlich den Willen und die Bereitschaft dazu.»
Er habe das Parlament gebeten, Vorschläge auszuarbeiten, wie das Gesetz trotz Kriegsrecht geändert werden könnte.
Stimmabgabe in besetzten Gebieten «unmöglich»
Der Osteuropa-Experte Ulrich Schmid beurteilt die Lage deutlich zurückhaltender: «Es wird schwierig sein, faire Wahlen in der Ukraine zu organisieren», sagt er zu Nau.ch.
Denn: «In den besetzten Gebieten wird eine Stimmabgabe unmöglich sein.» Auch bei den Truppen an der Front gebe es erhebliche Schwierigkeiten.
Zudem, so Schmid, gehe es Donald Trump nicht um das Wahlergebnis. Unabhängig davon, dass pro-europäische oder EU-nahe Kräfte die Wahl gewinnen könnten: «Er will die ukrainische Seite schwächen, um seinen ‹Deal› durchsetzen zu können.»
Donald Trump soll sich weigern, echten Druck auf Putin auszuüben
Die Forderung nach Neuwahlen bedient den Zweifel an der Legitimität Selenskyjs, wie sie von russischer Seite verbreitet werden. «In der Tat übernimmt Trump hier ein russisches Narrativ», sagt Schmid.
Und weiter: «Trumps ‹Friedensverhandlungen› sind chaotisch und haben eine pro-russische Schlagseite.»
Der grösste Fehler des 79-Jährigen sei gewesen, beim August-Gipfel in Alaska Putins Position zu übernehmen.

Diese hatte vorgesehen, keinen Waffenstillstand, sondern direkt einen Friedensvertrag anzustreben. Trump weigere sich nach wie vor, wirksamen Druck auf Putin auszuüben.
«Im Moment sieht es so aus, als wolle Donald Trump der Ukraine einen russisch-amerikanischen Diktatfrieden aufzwingen», fasst Schmid zusammen.
Selenskyj unter Druck
Auch Osteuropa-Kenner Nicolas Hayoz sagt zu Nau.ch: «Neuwahlen wären natürlich unter den aktuellen Kriegsbedingungen nicht realistisch.» Das liege jedoch nicht an der Verfassung, die Neuwahlen während eines Krieges verbiete.
Nötig wäre ein Waffenstillstand, von dem man aktuell weit entfernt sei, betont Hayoz. «Die Durchführung solcher Wahlen müsste entsprechend abgesichert werden.»
Dass Selenskyj nun entgegen früheren Aussagen seine Position ändere, zeige, wie stark der Druck auf ihn ist. Insbesondere durch Donald Trump, «der solche Neuwahlen nun fordert». Das verdeutliche erneut, wie bereitwillig Trump russische Positionen übernehme.
Mit der Bereitschaft, Neuwahlen vorzubereiten und durchzuführen, nimmt Selenskyj laut Hayoz seinen Kritikern den Wind aus den Segeln. Vor allem jenen, die ihm vorwerfen, den Krieg als Vorwand für ausbleibende Wahlen zu nutzen.
Experte: Trumps Vorschlag entspricht Russen-Propaganda
Trumps Vorschlag entspreche klar russischer Propaganda, sagt Hayoz. Zudem wirke es so, als nehme der US-Präsident erneut keine Rücksicht auf die Ukraine.
Trump würde «ohne irgendwelche Überzeugungen oder Kenntnisse der Ukraine irgendwelche anderswo aufgegriffenen Forderungen» aufstellen.
«Trump sagte selbst, der Grössere gewinnt gegen den Kleineren. Was ja einmal mehr zeigt, dass Trump vor allem mit denjenigen kooperiert, die ‹gross und stark› sind.» Selbst, wenn es sich um Diktaturen handle – wie Russland.

Immerhin: Dass mögliche Neuwahlen russlandfreundliche oder anti-europäische Kräfte an die Macht bringen würden, hält Hayoz zunächst für «nicht anzunehmen».
Die meisten politischen Kräfte seien auf «Westkurs» und würden die Anbindung der Ukraine an Europa anstreben. Die Alternative wäre ein Abgleiten unter russischem Einfluss.
Für die USA gilt laut dem Experten: Sollten sie die Durchführung von Wahlen unterstützen, müssten sie das Ergebnis am Ende auch akzeptieren.





















