AfD

Profitiert AfD? Merz-Chaos könnte für neue Regierung «Weckruf» sein

Nicola Aerschmann
Nicola Aerschmann

Deutschland,

Friedrich Merz brauchte bei der Kanzlerwahl überraschend zwei Wahlgänge. Viel wichtiger als diese kleine Niederlage dürften nun aber politische Inhalte werden.

AfD Union
Friedrich Merz nach der Wahl zum Bundeskanzler mit den AfD-Vertretern Alice Weidel und Tino Chrupalla. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler verlief nicht wie geplant.
  • Ein Politologe ordnet ein, was das für die Regierung und für die Rolle der AfD bedeutet.
  • Auch Schweizer Politiker nehmen dazu Stellung.

Friedrich Merz ist am Dienstag wie erwartet zum neuen Kanzler gewählt worden. Allerdings verlief die Entscheidung deutlich dramatischer als geplant. Im ersten Wahlgang verfehlte der CDU-Chef die nötige Mehrheit. Die Koalition aus Union und SPD stimmte nicht geschlossen für ihn.

Friedrich Merz
Am Ende wurde Friedrich Merz trotz kleiner Verzögerung doch Kanzler. - keystone

Im zweiten Wahlgang schaffte Merz die Wahl zwar. Dennoch wurde die Niederlage von vielen Seiten als schlechtes Omen für die neue Regierung gedeutet. Hinter der Stabilität der schwarz-roten Koalition steht zumindest ein Fragezeichen.

Eine These, die diesbezüglich kursiert: Das Chaos hilft insbesondere der AfD. Sie könnte als grösste Oppositionspartei von einer allfälligen Schwäche der Merz-Regierung profitieren.

Politologe: Kurs ist wichtiger als Kanzlerwahl

Philipp Adorf, Politikwissenschaftler an der Universität Bonn, bestätigt gegenüber Nau.ch: «Gelingt es der neuen Regierung nicht, die erheblichen Herausforderungen des Landes überzeugend zu bewältigen, dürfte die AfD weiter an Zustimmung gewinnen.»

Allerdings dürften die unmittelbaren Folgen der Kanzlerwahl selbst «begrenzt bleiben». Adorf führt aus: «Entscheidend wird sein, welchen Kurs die Koalition nun einschlägt und wie geschlossen sie nach aussen auftritt.»

Die AfD versucht zwar schon, aus der zunächst missglückten Kanzlerwahl Profit zu schlagen. Das Ziel der Partei von Alice Weidel ist klar: Man will die CDU als stärkste Kraft rechts der Mitte ablösen. Entsprechend gebe es auch immer wieder Attacken.

«Jetzt behaupten Weidel und ihre Partei, Merz habe seine eigene Koalition von Anfang an nicht unter Kontrolle», so Adorf. Damit müsse der CDU-Chef immer mehr Zugeständnisse an die linkeren Kräfte machen, argumentiere die AfD. Sei es innerhalb oder ausserhalb der Koalition.

Merz-Chaos könnte sogar ein guter «Weckruf» sein

Wie überzeugend diese Argumentation sein wird, ist fraglich. Die Kanzlerwahl könnte sich sogar positiv auf die neue Regierung auswirken. Adorf erklärt: «Im positiven Sinne war dies ein heilsamer Weckruf für die neue Koalition.»

Ist Friedrich Merz der richtige Kanzler für Deutschland?

Denn jetzt müsse jedem Abgeordneten klar sein, dass die Marge bei Abstimmungen klein ist. Spielereien innerhalb der Koalition sind kaum möglich. «Auch dem Führungspersonal hat dieser Vorfall vor Augen geführt, dass man die eigene Mehrheit nicht als selbstverständlich ansehen darf.»

FDP-Schilliger: AfD profitiert weiterhin von Opferrolle

Wie blickt man in der Schweizer Politik auf eine mögliche Stärkung der AfD durch die ungewöhnlichen Kanzlerwahl-Ereignisse?

FDP-Nationalrat Peter Schilliger sagt: «Die Klatsche von Merz hat gezeigt, wie dünn die Mehrheit ist. Und wenn die Führung nicht funktioniert, ist die Opposition natürlich in der Stärke», sagt der Luzerner.

Peter Schilliger
Der Luzerner FDP-Nationalrat Peter Schilliger. - keystone

Schilliger findet es schlecht, dass man die in Umfragen nun sogar wählerstärkste Partei nicht einbinden kann: «So bleibt sie Opfer und Opfer werden in der Tendenz stärker. Damit schadet sich Deutschland selbst.» Dank Opposition und Opferrolle habe die AfD nämlich überhaupt erst so stark werden können.

Mitte-Pfister: Regierung muss «klare Kante» gegenüber AfD zeigen

Etwas anders sieht es Gerhard Pfister. Der Mitte-Präsident betont zunächst, dass man vorsichtig sein sollte, wenn man die deutsche Politik von der Schweiz aus beurteilt. «Deutschland hat eine andere Geschichte», sagt der Zuger Nationalrat.

Pfister erinnert daran, dass der deutsche Verfassungsschutz die AfD kürzlich als rechtsextrem eingestuft hat. «Es ist wichtig, dass eine gewählte Bundesregierung sehr klare Kante gegenüber der AfD zeigt», ist für ihn klar. Egal, ob das letztlich der AfD nützt oder nicht.

Gerhard Pfister
Mitte-Präsident und Nationalrat Gerhard Pfister. - keystone

Gleichzeitig müsse man zwischen den Exponenten einer Partei und denjenigen, die sie wählen, unterscheiden. «Die Wählerinnen und Wähler der Partei sind selbstverständlich nicht alle rechtsextrem», sagt Pfister.

Nun müsse die neue Regierung schlicht liefern: «Gegen populistische Parteien hilft gutes Regieren und das ist jetzt die Verantwortung dieser Koalition.»

Am Donnerstagnachmittag setzte der Verfassungsschutz die Einstufung der AfD als rechtsextrem indes vorübergehend wieder aus. Bald soll ein Gericht urteilen.

Dach bei 30 Prozent?

Bleibt die Frage, wie stark die AfD überhaupt noch werden kann. Sie liegt jetzt in Umfragen bereits bei rund 25 Prozent. Adorf betont allerdings: «Weiterhin können sich ungefähr 60 Prozent aller Deutschen nicht vorstellen, jemals für die AfD zu stimmen.»

Alice Weidel
Alice Weidel und ihre Partei befinden sich weiter auf dem Vormarsch. - keystone

So betrachtet wäre das absolute Maximum für die Weidel-Partei bei rund 40 Prozent. Laut Politikwissenschaftler Adorf ist ein Ergebnis «in den hohen Zwanzigern oder gar um die 30 Prozent» bei der nächsten Bundestagswahl nicht ausgeschlossen. «Insbesondere dann, wenn die derzeitige Koalition vorzeitig zerbricht.»

Ähnlich sieht es der FDP-Nationalrat Schilliger: «Ich glaube, dass es irgendwann dann schon eine Grenze gibt.» Die AfD habe auch viele Gegner. «Ich vermute, dass irgendwo bei 30 Prozent das Dach erreicht ist», so das Fazit des Luzerners.

Regierungsbeteiligung könnte AfD mässigen

Adorf spricht von einem «gewissen Teufelskreis». Mit der immer stärkeren AfD muss die Koalition immer breiter werden, um eine Mehrheit bilden zu können. Das wiederum dient dem Narrativ der AfD, die einzige wirkliche Oppositionspartei zu sein.

Die AfD in die Regierung einzubinden, ist dann aber auch heikel. «Unbestritten problematisch für eine mögliche Einbindung ist die zunehmende Radikalisierung der Partei», sagt Adorf.

AfD
Wo liegt das Dach der AfD? Viele gehen von rund 30 Prozent aus. - dpa

Gleichzeitig sagt er: «Doch es liesse sich argumentieren, dass sich diese Entwicklung durch die Aussicht auf Regierungsbeteiligung bremsen liesse.» Heisst: Wenn es die Möglichkeit geben würde, politische Macht zu erlangen, könnten die gemässigten Stimmen in der AfD Auftrieb erhalten.

Klar ist: Der Druck auf die neue Regierung um Bundeskanzler Friedrich Merz ist gross. Gemessen wird sie letztlich an ihrer Politik – und nicht daran, wie die Kanzlerwahl abgelaufen ist.

Kommentare

User #2770 (nicht angemeldet)

Chrupalla Kanzler.Weidel Aussenministerin und Wagenknecht erste Bundespräsidentin und der Karren läuft wieder.

User #2345 (nicht angemeldet)

Diese neue Regierung ist schon jetzt zum Scheitern verurteilt. Das geht nicht lange, dann gibt es wieder totale Neuwahlen! (schriller Glockenalarm) Waidel

Weiterlesen

Pfister Schilliger Dettling
56 Interaktionen
«Eher freundlich»
Friedrich Merz
1’344 Interaktionen
Selbstbewusst
Merz Portmann
99 Interaktionen
Merz-Niederlage
Grillen
103 Interaktionen
Sommer zu Hause

MEHR IN POLITIK

Uster ZH
Lösung finden
ruag leopard 1 panzer
18 Interaktionen
«Sinnvoll»
Wladimir Putin Xi
1 Interaktionen
Siegesfeier

MEHR AFD

Alice Weidel
4 Interaktionen
Teilerfolg
78 Interaktionen
AfD rechtsextrem?
afd
13 Interaktionen
2029
AfD
7 Interaktionen
Deutschland

MEHR AUS DEUTSCHLAND

Kerze Tod
«Vorbild»
grenze
216 Interaktionen
Harte Grenzkontrollen