AfD: BSW ritzt an Brandmauer – folgen andere Parteien?
Sahra Wagenknecht schliesst eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht aus. Was steckt hinter dieser Äusserung? Der deutsche Politologe Philipp Adorf ordnet ein.

Das Wichtigste in Kürze
- BSW und AfD zeigen sich offen für Gespräche über eine Zusammenarbeit.
- Inhaltlich gäbe es durchaus Berührungspunkte, sagt Politologe Philipp Adorf.
- Dass sich andere Parteien gegenüber der AfD nun auch öffnen, sei derweil unwahrscheinlich.
Eine Zusammenarbeit mit der AfD kommt für die anderen deutschen Parteien nicht wirklich infrage. Kanzler Friedrich Merz wurde schon kritisiert, weil er einen Antrag für eine schärfere Migrationspolitik mit Stimmen der AfD durchbrachte.
Einer Koalition mit der rechten Partei erteilte Merz schliesslich eine Absage – es kam zur Koalition zwischen CDU/CSU und SPD. Die sogenannte «Brandmauer» gegen die AfD schien also bestehen zu bleiben.
BSW und AfD schliessen Gespräche nicht aus
Nun bringt aber eine Partei, die den Einzug in den Bundestag knapp verpasste, neuen Schwung in die Diskussion. Sahra Wagenknecht, Chefin des gleichnamigen Bündnisses, sagte, sie würde «selbstverständlich» auf Bundesebene mit der AfD Gespräche führen.
Aktuell gebe es diese zwar nicht. Aber wenn es einen konkreten Anlass gäbe, würde Wagenknecht beispielsweise mit AfD-Chef Tino Chrupalla sprechen. Zuvor hatte dieser bereits Kontakte zum BSW befürwortet. Er und Alice Weidel stünden immer für Gespräche zur Verfügung.
Wie sind diese Aussagen einzuordnen? Sind sie ein Zeichen, dass die Brandmauer in Deutschland immer mehr wankt?
Annäherung an AfD als BSW-Strategie
Der deutsche Politologe Philipp Adorf von der Universität Bonn sagt gegenüber Nau.ch, dass hinter den Aussagen Wagenknechts durchaus auch Wahltaktik stecken könnte. Das BSW müsse nämlich bei den ostdeutschen Landtagswahlen 2026 den Einzug in mehrere Landesparlamente schaffen.
«Entscheidend ist dabei auch, wie viele AfD-affine Wählerinnen und Wähler das BSW für sich gewinnen kann», erklärt Adorf. Wagenknecht sei nun scheinbar zum Schluss gekommen, dass die Offenheit gegenüber der AfD eine gute Strategie ist. So wolle die Partei verhindern, dass die eigene Wählerschaft zur AfD abwandert.
«Für die AfD wiederum eröffnet eine Zusammenarbeit mit dem BSW neue Machtperspektiven im Osten», führt Adorf aus.
Gleiche Haltungen bei verschiedenen Themen
Inhaltlich haben AfD und BSW durchaus Berührungspunkte. Adorf nennt migrationspolitische und gesellschaftspolitische Themen wie das Gendern. Aber auch die Ablehnung der Energiewende sowie die Haltung gegenüber Russland stellen Schnittmengen dar.
Im Osten könnte es zudem weitere Überschneidungen geben. Beispielsweise spricht sich die AfD für eine Wahrung des Sozialstaats aus, allerdings nur für die einheimische Bevölkerung.
Kurswechsel in anderen Parteien kurzfristig nicht zu erwarten
Klar ist: Eine blau-violette Kooperation hätte Folgen für die Stellung der Weidel-Partei in Deutschland. «Eine Zusammenarbeit mit dem BSW trägt zumindest zur schrittweisen Normalisierung der AfD bei», sagt Adorf. Trotz möglicher Risiken könnte die rechte Partei so ihre Stellung im Parteiensystem festigen.
Ob andere Parteien dem Beispiel des BSW folgen, ist jedoch fraglich. Die AfD habe sich in den letzten Jahren laut Adorf eher noch radikalisiert, was die Hürde für die anderen Parteien noch höher macht. «Dementsprechend würde ich kurzfristig keinen Kurswechsel mit Blick auf das Verhalten gegenüber der AfD in den anderen Parteien erwarten.»

Sollte die Alternative weiterhin stärker werden, gehen jedoch langsam die Optionen aus. Das sieht man am Beispiel Ostdeutschland. Adorf sagt: «Koalitionen, die eine Machtübernahme der AfD verhindern wollen, müssen oft ein breites ideologisches Spektrum abdecken.»
Ansonsten wären Minderheitsregierungen denkbar. Allerdings würden diese mehr Instabilität mit sich bringen. Gegen Ende des Jahrzehnts könnte es laut Adorf deshalb dazu kommen, dass die AfD schrittweise eingebunden wird.