Gezielt Corona-infiziert: Umstrittene Studie mit ersten Ergebnissen
Das Imperial College in London hat im Rahmen einer Studie gezielt 30 Personen mit dem Coronavirus infiziert. Nun liegen erste Ergebnisse vor.

Das Wichtigste in Kürze
- 30 Personen haben sich letztes Jahr freiwillig mit dem Coronavirus infizieren lassen.
- Das ganze zum Zweck einer Human-Challenge-Studie des Imperial College in London.
- Nun haben die Forscher erste Ergebnisse publiziert.
Jacob Hopkins aus Birmingham fängt an zu strahlen, als er erzählt, wie er mit Corona infiziert wurde: Kopf in den Nacken, dann habe ihm eine vollständig vermummte Person eine Flüssigkeit in die Nase getröpfelt. «Ich habe mit der Ärztin eingeschlagen, wir waren beide so aufgeregt», erzählt der 24-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.
Nach seinen Angaben war er der erste Proband, der im vergangenen Jahr von Forschern des Imperial College in London im Rahmen einer Studie gezielt mit dem Coronavirus infiziert worden ist. Nun, knapp ein Jahr später, liegen die ersten Ergebnisse des umstrittenen Forschungsprojekts vor.
Inkubationsphase deutlich kürzer als angenommen
Das zentrale Ergebnis der sogenannten Human-Challenge-Studie: Die Inkubationsphase des Virus soll den Forschern zufolge deutlich kürzer sein als zuvor angenommen. Im Schnitt traten schon 42 Stunden nach der Ansteckung bei den Teilnehmern Symptome auf.
Allerdings: Die Ergebnisse beziehen sich weder auf Omikron noch auf Delta, sondern auf den Wildtyp des Coronavirus. Anders als zunächst gehofft, hat sich die Forschung in die Länge gezogen.

Die Forscher träufelten gut 30 jungen, gesunden Erwachsenen, die zuvor weder geimpft waren noch eine Infektion hinter sich hatten, in einer kontrollierten Umgebung eine niedrige Dosis ein. 16, also gut die Hälfte davon, infizierten sich. So auch Hopkins, der in den ersten Tagen noch nicht viel merkte, aber dann doch Kopfschmerzen, Schüttelfrost und Grippe-Symptome bekam.
Studie unter Medizinethiker extrem umstritten
Rund drei Wochen verbrachte er in einem hermetisch abgeriegelten Raum, rund um die Uhr überwacht und immer wieder getestet. Eigentlich habe er in der Zeit eine Sprache lernen wollen, erzählt Hopkins. Doch die Untersuchungen und Tests hätten dann doch viel Zeit gekostet. Hopkins ist keiner, der Covid-19 verharmlost. «Ich weiss, wie viel Schaden das angerichtet hat», sagt er. Gerade deshalb wolle er helfen.

Human Challenge Trials kamen in der Vergangenheit zum Beispiel bei der Entwicklung von Grippe- und Malaria-Impfstoffen zum Einsatz. Allerdings wurde den Probanden dabei zunächst ein potenzieller Wirkstoff verabreicht.
Unter Medizinethikern sind die Studien extrem umstritten. Viele argumentieren, dass Menschen unnötig in Gefahr gebracht würden, obwohl es Alternativen gebe. Auch bei jungen Menschen gebe es schwere Verläufe, heisst es in einer Stellungnahme des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller.
Erste weltweite Studie in Zusammenhang mit dem Coronavirus
Peter Openshaw, einer der beteiligten Forscher in London, verteidigt das Vorgehen. Er kenne die ethischen Bedenken, sagt er am Mittwoch in einer Schalte mit Journalisten. «Aber ist es denn ethisch, diese Studien nicht durchzuführen, wenn sie Vorteile bringen?» Es sei denkbar, dass Human-Challenge-Studien in manchen Fällen etwa Tierversuche ablösen könnten.
Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass der Grossteil der ausgeschiedenen Viruslast aus den Nasen der Probanden statt aus dem Rachen kam, wo diese schwächer ausfiel und schneller wieder abnahm. Die britischen Forscher leiten daraus ab, wie wichtig es ist, Masken auch über der Nase zu tragen. Die britische Studie gilt als weltweit erste, die im Zusammenhang mit Covid-19 auf diese Weise geforscht hat.
Derzeit bereitet das Team eine weitere Runde vor, bei denen Freiwillige mit der Delta-Variante infiziert werden sollen. Ziel ist es, dabei auch Durchbruchsinfektionen herbeizuführen bei Menschen, die bereits Antikörper in sich tragen.