Skeptiker des Coronavirus sollen das Nachsehen haben, wenn zu wenig Intensivbetten frei sind. Diese Forderung von Willy Oggier ist für Medizinethiker undenkbar.
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Willy Oggier forderte, Intensivbetten für Corona-Skeptiker zu sperren. Diese Forderung ist für Ethiker nicht vertretbar. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Im Zweifelsfall sollen sogenannte Corona-Skeptiker auf ein Intensivbett verzichten müssen.
  • Diese fordert der Schweizer Gesundheitsökonom Willy Oggier.
  • Für Medizinethiker ist dies «diskriminierend, verfassungswidrig und sogar gefährlich».

Gegen Engpässe im Gesundheitswesen hat der Schweizer Gesundheitsökonom Willy Oggier einen neuen Lösungsansatz: Wer sich nicht an die Hygiene- und Abstandsregeln hält, soll bei der Triage anderen Corona-Kranken den Vortritt lassen müssen.

Coronavirus Spital
Wer soll das letzte freie Bett auf der Intensivstation erhalten? - Keystone

«Ich finde es fairer, wenn der selbst ernannte Corona-Rebell das Nachsehen hat, als wenn es einfach den ältesten Patienten im Raum trifft.» Dies sagt Oggier in einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen. Oggier fordert zudem, dass Ordnungsbussen ausgesprochen werden können, wenn jemand die Regeln bewusst missachtet.

«Verfassungswidrig und gefährlich»

Die Namen der Regel-Brecher sollen erfasst werden und somit bei der Triage die Entscheidung erleichtern. Ein solches Vorgehen ist in den Augen von Medizinethiker Manuel Trachsel «diskriminierend, verfassungswidrig, kaum umsetzbar und sogar gefährlich».

Coronavirus Triage
Medizinethiker Manuel Trachsel findet den Vorschlag von Willy Oggier gefährlich. - Screenshot/Unispital Basel

Diskriminierend und verfassungswidrig deshalb, weil gemäss der Bundesverfassung niemand «wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung» diskriminiert werden darf.

In einem modernen Rechtsstaat wie der Schweiz würden nicht einmal die schlimmsten Straftäter ihr Recht auf Leben und im Notfall auf eine intensivmedizinische Versorgung verlieren, betont Trachsel.

Dasselbe bei den Rauchern oder Risikosportlern?

Gefährlich sei die Forderung Oggiers deswegen, weil eine solche Argumentation die Tür öffne für analoge Argumente in anderen Bereichen der Politik. Dies im Sinne von: «Wer sich nicht der Mehrheit anpasst, soll weniger Rechte haben».

Triage Spital
Die Ärzte stehen bei der sogenannten Triage vor schweren Entscheidungen. - Keystone

Diese Gefahr sieht auch die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften in der Idee Oggiers. Die Richtlinien der Akademie und der Gesellschaft für Intensivmedizin halten nämlich in den Grundprinzipien explizit die Gerechtigkeit fest.

Eine solche Ungleichbehandlung, wie sie Oggier vorschlage, müsste dann auch in vielen anderen Situationen der Gesundheitsversorgung diskutiert werden. «Zum Beispiel bei starken Rauchern mit einer Lungenerkrankung oder Unfallopfern bei Risikosportarten», erklärt Thomas Gruberski, Leiter Ressort Ethik der Akademie der Medizinischen Wissenschaften.

Bei Triage wegen Coronavirus sollen nur gesundheitliche Kriterien zählen

Der Zugang zum Gesundheitswesen sei ein fundamentales Recht. Es jemandem zu verweigern, nur weil er die Abstands- oder Hygieneregeln missachtet habe, sei nicht nur unverhältnismässig, sondern auch ungerecht, betont Gruberski.

Die Triage solle ausschliesslich nach gesundheitlichen Kriterien erfolgen und nicht nach solchen weltanschaulicher, religiöser oder politischer Natur.

Auch auf Twitter hagelte es Reaktionen. - Screenshot Twitter/@PSPresseschau

«Ein wesentliches Merkmal unserer Demokratie ist, dass auch Minderheiten ihre Meinung frei äussern dürfen und deswegen nicht diskriminiert werden.» Genau das wäre aber der Fall, wenn man eine «corona-kritische» Haltung mit einer Austriagierung sanktionieren würde, so der Jurist.

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