Wen behandeln, wenn es wegen des Coronavirus zu wenig Spitalbetten hat? Die medizinische Ethikkommission aktualisiert nach Kritik im Frühling ihre Richtlinien.
Coronavirus Pflegeinitiative
Ein Pflegefachmann betreut einen Covid-Patienten. (Symbolbild) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Erste Spitäler stossen im Zuge der zweiten Corona-Welle an ihre Kapazitätsgrenze.
  • Eine Ethikkommission hat Richtlinien verfasst, wer im Notfall zuerst behandelt wird.
  • Nach Kritik, weil sie Senioren diskriminieren sollen, werden diese jetzt aktualisiert.

Die Infektionszahlen mit dem Coronavirus steigen in der Schweiz weiterhin rasant an. Täglich meldet das BAG derzeit zwischen 6'000 und 9'000 Neuinfektionen. Damit steigen auch die Hospitalisierungen: Am Tag werden um die 200 Personen ins Spital eingeliefert.

Coronavirus: Hospitalisierungen bringen Spitäler an ihre Grenzen

Erste Spitäler stossen darum an ihre Grenzen. Im Kanton Schwyz musste das Spital Coronafälle vereinzelt auf umliegende Zentralschweizer Spitäler umverteilen. Nach eigenen Angaben ist es voll ausgelastet.

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Im Spital Schwyz wurden in den vergangenen Tagen mehrere Covid-19-Patienten eingeliefert. (Archivbild) - Keystone

Auch das Unispital Genf hatte bereits letzte Woche Massnahmen angekündigt, um das Spital in eine spezialisierte Klinik für Covid-19-Patienten umzuwandeln. HUG-Generaldirektor Betrand Levrat rechnet mit dem Schlimmsten: «Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Betten und Fachkräfte, die benötigt werden, viel höher sein wird, als wir es in diesem Frühjahr erlebt haben.»

Die Genfer Gesundheitsbehörden befürchten, vom Zustrom der Patienten «überwältigt» zu werden. Hat es zu wenig Betten auf der Intensivstation, müssten die Ärzte entscheiden, wen sie behandeln und wen nicht. Eine Entscheidung, die «schwer, sehr schwer» für jeden Arzt sei, sagte Franco Denti, Präsident der Tessiner Ärztegesellschaft.

Werden Senioren diskriminiert?

In solchen Momenten helfen die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) und die Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI). Deren Zentrale Ethikkommission hat ein Dokument herausgegeben, welches Richtlinien enthält, wer bei einem Patienten-Massenzustrom noch welche Hilfe erhalten soll.

Die Anleitung ist ursprünglich von 2013. Sie wurde im März dieses Jahres aber durch einen Anhang zu Triage-Entscheidungen in Bezug auf das Coronavirus ergänzt.

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Coronavirus: Medizinisches Personal arbeitet auf der Intensivstation eines Schweizer Spitals. - dpa

Im Kern besagt das Dokument, dass Patienten mit den besten kurzfristigen Prognosen Vorrang haben sollten. Dabei wird explizit darauf hingewiesen, dass das Alter bei dieser Beurteilung nicht zu einer Diskriminierung führen dürfe.

Gleichzeitig müsse das Alter aber als Risikofaktor berücksichtigt werden. Wenn die Intensivpflegebetten nicht mehr für alle reichen, soll, wer über 85 Jahre alt ist, abgewiesen werden. Gleiches gilt für über 75-Jährige mit chronischen Krankheiten. Das führte im Frühling zu Kritik an den Richtlinien.

Ethikkommission kündet aktualisierte Version an

«Das Kriterium des Alters hat in der Vergangenheit für Diskussionen gesorgt. Wir haben stets präzisiert, dass das Alter an sich kein alleiniges Triage-Kriterium ist», hält Franziska Egli, Kommunikationsverantwortliche der SAMW, fest. Es gebe immer zusätzliche Faktoren, die ebenso berücksichtigt werden müssten.

Gleichzeitig kündigt Egli aber eine neue Version der Richtlinien an. «Dieser Punkt wird in einer aktualisierten Version des Papiers präzisiert, um Unsicherheiten aus der Welt zu schaffen.» Man arbeite gerade daran und werde dann breit kommunizieren.

Richtlinien Sterbehilfe
Die Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) mussten im Frühjahr nirgends angewendet werden. - sda - KEYSTONE/GAETAN BALLY

«Die Triage-Empfehlungen zum Coronavirus mussten im Früjahr nirgends angewendet werden», so Egli. Die Thematik nimmt jetzt aber parallel zur zweiten Infektionswelle wieder Fahrt auf. «Wir gehen wieder in eine Ausnahmesituation hinein. In manchen Regionen sind wir bereits so weit.»

«Wir haben es selbst in der Hand»

Dabei könnten bezüglich Coronavirus Erfahrungen und Infrastruktur aus dem Frühjahr ein entscheidender Vorteil sein. Gleichzeitig lassen sich die Auswirkungen der weiter steigenden Zahlen auf die Spitäler noch nicht abschätzen. Schlussendlich hätten wir es aber alle gemeinsam in der Hand, ob die Ressourcen in den Spitälern ausreichen werden, erinnert Egli.

«Alle müssen sich dringend an die Massnahmen und Regeln von Bund und Kantonen halten. Hände waschen, Abstand halten, soziale Kontakte auf ein Minimum reduzieren. Auch wenn das in den Wintermonaten schwierig ist: Es ist entscheidend.»

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