In Norwegen findet im Kampf gegen das Coronavirus ein Umdenken statt. Das Gesundheitsinstitut fordert faktisch eine Durchseuchung der Bevölkerung.
Coronavirus Norwegen
Norwegen wird wohl bald alle Massnahmen gegen das Coronavirus aufheben. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Norwegen signalisiert trotz steigender Infektionen ein Umdenken in der Corona-Strategie.
  • Laut Experten der Regierung wäre es falsch, zu versuchen, «das Virus zurückzudrängen».

Wann soll in der Schweiz der geforderte «Freedom Day» kommen? Also der Tag, an dem alle Massnahmen gegen das Coronavirus aufgehoben werden. Während hierzulande noch über Einzelheiten diskutiert wird, scheint ein solcher Tag in Norwegen offenbar bereits ganz nah.

Das norwegische Institut für Volksgesundheit (FHI) fordert nämlich in einer neuen Risikoeinschätzung faktisch die möglichst rasche Durchseuchung. «Es ist schwierig, sich nicht anzustecken. Und je länger wir Restriktionen beibehalten, desto länger dauert die Epidemie», schreibt das Institut. Massnahmen könnten die Ansteckungen «nur noch in kleinem Mass» reduzieren, es sei an der Zeit, «das Virus laufen zu lassen».

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Müssen sich die Menschen in Norwegen auf eine baldige Durchseuchung gefasst machen? - Keystone

Die Experten rechnen damit, dass bis zu drei Viertel der Norweger (5,3 Mio.) sich im Winter mit Corona infizieren würden. Der Prozess könne mit harten Massnahmen lediglich verlangsamt, aber nicht gestoppt werden, so die Analyse.

Die Leiterin der Behörde, Camilla Stoltenberg, sagte letzte Woche vor den Medien: «Wir haben eine Population, die kürzlich die dritte Impfdosis erhalten und einen guten Schutz vor Krankheiten und Krankenhausaufenthalten hat. Es ist besser, sich in dieser Situation anzustecken, als wenn die Impfwirkung nachgelassen hat.»

Sollte auch die Schweiz eine Durchseuchung anstreben?

Es wäre falsch, zu versuchen, das Virus zurückzudrängen, so die Expertin. Die drakonischen Massnahmen, die dazu notwendig wären, hätten viel schlimmere Folgen für die Menschen als eine Erkrankung. Dabei werden unter anderem die hohen Kosten und die Einschränkung der Freiheit der Bürger als Negativ-Punkte erwähnt.

Das Coronavirus, so Stoltenberg, breite sich so schnell aus, dass man damit umgehen müsse. «Bei den meisten Menschen verursacht Omikron weniger schwere Krankheiten, sodass wir eine Infektion tolerieren können. Aber ich empfehle nicht, die Infektion zu suchen.» Das NHI empfiehlt Personen, die einer Hochrisikogruppe angehören, sich zum vierten Mal gegen das Coronavirus impfen zu lassen.

Belastung der Gesellschaft wird wegen Coronavirus hoch sein

Doch was geschieht bei einer Durchseuchung? Das FHI hält fest, dass mit der neuen Strategie die Belastung für die Gesellschaft noch einige Wochen hoch sein wird. Es werde zum Beispiel sicherlich viele krankheitsbedingte Ausfälle an Arbeitsplätzen geben. Doch die Frage lautet, ob wirklich mehr Leute zu Hause bleiben müssten, als jetzt mit den Isolationsregeln.

Der rasante Anstieg der täglichen Infektionen mit dem Coronavirus bei der neuen Strategie wird ebenfalls diskutiert. Die Experten rechnen mit einem Anstieg auf täglich 125'000 Fälle. Damit könnte auch die Spitalbelastung mit täglich 300 bis 1000 neuen Covid-Patienten stark zunehmen.

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Die norwegische Premierministerin Erna Solberg wird am Dienstag mit ihrer Regierung über die Aufhebung der Massnahmen im Kampf gegen das Coronavirus entscheiden. - Keystone

Die FHI-Direktorin sagte aber, das müsse das Gesundheitswesen «handhaben» können. Nur ein kleiner Teil der behandelten Personen dürfte eine Intensivbehandlung benötigen, so Camilla Stoltenberg.

Ob es in Norwegen tatsächlich zum baldigen «Freedom Day» kommen wird, dürfte sich am Dienstag entscheiden. Dann will die Regierung darüber diskutieren, welche Restriktionen in dem Land aufgehoben werden. Mit raschen und weitgehenden Lockerungen wird im bislang eher restriktiven Land gerechnet.

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