Christian Drosten verteidigt Theorie um Corona-Ursprung
Erneut wird über den Corona-Ursprung diskutiert. Virologe Christian Drosten verteidigte sich gegen die im Magazin «Cicero» geäusserten Vorwürfe der Täuschung.

Das Wichtigste in Kürze
- Der Virologe Christian Drosten reagiert empört auf Äusserungen eines Hamburger Forschers.
- Im Magazin «Cicero» warf dieser dem Virologen vor, den Corona-Ursprung geleugnet zu haben.
«Cicero bietet einem Extremcharakter die Bühne und provoziert persönliche Angriffe gegen mich durch suggestive Fragen», kritisierte Christian Drosten via Twitter. Belastbaren Tatsachenbehauptungen werde ausgewichen, so der Wissenschaftler von der Berliner Charité. «Das ist kein Interview, sondern ein Vorkommnis.» Zudem nahm er inhaltlich Stellung zu Aspekten der These, die Pandemie rühre von einem Labor-Unfall her.
Zuvor war neben dem Interview mit dem Physiker Wiesendanger im «Cicero» auch eines mit ihm erschienen. In beiden führte der Forscher in mehreren Punkten seine Theorie aus, Sars-CoV-2 stamme aus einem Labor in Wuhan. Führenden internationalen Virologen wie Drosten, die von einem Ursprung des Virus aus dem Tierreich ausgehen, warf er bewusste Irreführung vor.

Aus Wiesendangers Sicht spricht etwa ein besonderes Merkmal von Sars-CoV-2 für einen nicht-natürlichen Ursprung des Virus: die sogenannte Furin-Spaltstelle. Dieser Teil in der Struktur des Spike-Proteins ermögliche es Sars-CoV-2, leichter in menschliche Zellen einzudringen.
Die Spaltstelle sei zuvor für diese Gruppe von Coronaviren nicht bekannt gewesen, so Wiesendanger. Daraufhin habe sie sich dann aber im Erbgut von Sars-CoV-2 gefunden. So liege der Schluss nahe, sie sei eingebaut worden. US-Forscher hätten 2018 sogar einen Antrag auf Forschungsgelder für dieses Vorhaben gestellt, der aber abgelehnt worden sei.
Drosten: Es gebe keinen Nachweis auf einen nicht-natürlichen Ursprung
Drosten erklärte auf dpa-Anfrage, dass derartige Spaltstellen bei Sars-CoV-2, in der Untergattung der Sarbecoviren, bisher tatsächlich nicht gesehen worden seien. In anderen Coronavirus-Gruppen kämen solche Spaltstellen aber vor. «Gleichzeitig ist es vollkommen klar, dass das natürliche Spektrum von Sarbecoviren noch stark untererfasst ist», so Drosten.
Eine aktuelle Arbeit zu Fledermausviren, auf die sich Drosten bezieht, habe gezeigt: «Es gibt durchaus Typen von Sarbecoviren, bei denen die Entstehung einer solchen Furin-Spaltstelle nur ganz wenig zusätzliche Veränderung benötigen würde.» So seien auch molekulare Grundvoraussetzungen, die die Entstehung solcher Spaltstellen begünstigten, vorhanden.

«Daher lässt sich von der Furin-Spaltstelle bei Sars-CoV-2 kein Nachweis auf einen nicht-natürlichen Ursprung führen. Dies, auch wenn sie tatsächlich eine Auffälligkeit darstellt», resümierte Drosten.
«Weltweit grösste Datenbank wurde abgeschaltet»
Ein weiteres Indiz für den Ursprung des Virus im Labor-Umfeld sieht Wiesendanger in folgendem Akt: Am Institut für Virologie in Wuhan sei die «weltweit grösste Datenbank für Coronaviren» im September 2019 abgeschaltet worden. Und dies unter nicht abschliessend geklärten Umständen. Wenn man sie wieder anschalte, so sei er überzeugt, lasse sich über sie die Virus-Herkunft finden. Dies führte im Interview mit der NZZ aus.
Drosten entgegnete, den konkreten Fall könne er nicht beurteilen. Von der Abschaltung der Datenbank wisse er nur aus öffentlichen Medienberichten. «Ich kann nur sagen, dass es nicht üblich oder verbreitet ist, solche Informationen in die Öffentlichkeit zu stellen», sagte er. «Auch inhaltlich kann ich hierzu nichts beitragen, da ich die Datenbank vorher nicht kannte.»
Ist die Labor-Theorie wahrscheinlich?
Eine Expertengruppe der Weltgesundheitsorganisation (WHO) war in einem Bericht zur Herkunft des Coronavirus zu einem Schluss gekommen: Die Theorie, das Virus könne mit einem Labor-Vorfall zu tun haben und sei somit künstlichen Ursprungs, sei «extrem unwahrscheinlich». Die Debatte und Forschung zum Ursprung des Virus reisst aber auch zwei Jahre nach Pandemie-Beginn nicht ab.
Wiesendanger, der an der Universität Hamburg arbeitet, vertritt schon länger eine konträre Position. Vor rund einem Jahr sorgte er mit einer Untersuchung für Schlagzeilen, in der er zu einem Ergebnis kam. Sowohl Zahl als auch Qualität der Indizien sprächen für einen Labor-Unfall am virologischen Institut in Wuhan als Ursache der Pandemie. In der Kritik stand nicht zuletzt die Methodik der Arbeit – als Quellen nutzte er beispielsweise auch YouTube-Videos.
Wie eng Drosten, der sehr früh sein PCR-Testprotokoll für das neue Coronavirus veröffentlichte, in die #Wuhan-Connection eingebunden war oder ist, bleibt eine der offenen Fragen, die in der deutschen Medienöffentlichkeit bislang kaum gestellt worden sind. https://t.co/nHP4lAXCpC
— Daniel Gräber (@dg_graeber) February 9, 2022
Die «Cicero»-Redaktion reagierte zunächst ihrerseits mit einem Tweet auf Drostens Kritik an dem Interview. «Wir halten die Kategorisierung unseres Gesprächspartners als „Extremcharakter“ in diesem Kontext für nicht weiterführend», hiess es. Man biete an, ein Streitgespräch zwischen Wiesendanger und Drosten zu organisieren und zu dokumentieren.