Fleischkonsum steigt: Ist der Vegan-Hype endlich vorbei?
Einige dürften jetzt jubeln: Der Fleischkonsum in der Schweiz steigt wieder. Bedeutet das das Ende des nervigen Vegan-Hypes?

Das Wichtigste in Kürze
- Immer öfter heisst es: Veganismus sei vorbei, die Menschen hätten genug von Ideologie.
- Tatsächlich sind Konsument heute kritischer gegenüber veganen Produkten.
- Aber: Der Hype ist keineswegs vorbei. Er hat lediglich sein Erscheinungsbild gewandelt.
Manche geben sich erleichtert. Veganismus sei vorbei. Die Menschen hätten genug von ideologischen Debatten und wollten wieder pragmatisch essen. So stand es kürzlich in einem langen Artikel im Tages-Anzeiger. Und solche Beiträge häufen sich.
Weg mit den Ideologien und dem Verzicht, her mit ausgewogenem Genuss und Pragmatismus.
Das klingt nach einer vernünftigen Lösung. Gemeint ist aber: wieder ohne schlechtes Gewissen Fleisch konsumieren wollen.
In der Schweiz steigt der Fleischkonsum tatsächlich wieder leicht an. Nach Jahren des Rückgangs liegen wir erneut bei fast 50 Kilogramm pro Kopf. Einige feiern bereits die Rückkehr zur alten Normalität – passend zur aktuellen politischen Weltlage.
Ist Veganismus daher wirklich ein gescheiterter Hype?
Viel Enttäuschung, wenig Geschmack
Viele der ersten pflanzlichen Alternativen konnten die hohen Erwartungen tatsächlich nicht erfüllen. Sie waren überteuert, unausgereift oder schlicht ungeniessbar.
Die Versprechen klangen oft besser, als das Produkt schmeckte. Wer je in einen veganen Käse oder Aufschnitt gebissen hat und ihn mit einem «Pfui» entsorgt hat, weiss, wovon die Rede ist.

Das hat Spuren hinterlassen. Viele Konsumenten sind heute kritischer und misstrauischer gegenüber den vollmundigen Ankündigungen der pflanzlichen Lebensmittelindustrie.
Doch genau das gehört zur Entwicklung neuer Trends: Schlechte Produkte verschwinden. Zum Glück. Dafür werden gute weiterentwickelt und etablieren sich.
Inzwischen greifen selbst überzeugte Fleischfans gerne zur pflanzlichen Variante, wie Christian Stucki in der Werbung für Planted augenzwinkernd zeigt.
Veganismus hat sich verändert
Aber es ist wahr: Veganismus ist leiser geworden. Tierrechte oder eine klimafreundliche Ernährung stehen im aktuellen politischen Klima nicht hoch im Kurs.
Wer jetzt schadenfreudig ins Fäustchen lacht, den muss ich leider enttäuschen. Denn wir stecken schon längst mitten im Wandel hin zu einer vermehrt tierfreien Ernährung. Die Entwicklung geht weiter – nur tritt sie inzwischen unter neuem Namen auf.
Statt von veganen Ersatzprodukten sprechen Unternehmen und Fachleute heute von Proteindiversifizierung, Proteintransition oder Smart Proteins.
Das Label vegan wirkt auf viele abschreckend, zu ideologisch oder belehrend. Die neuen Begriffe klingen technischer und neutraler, meinen aber im Kern dasselbe: eine Alternative zu tierischen Proteinen.

Parallel dazu entstehen neue Technologien, die es ermöglichen, Proteine ohne Tier zu gewinnen – etwa durch Präzisionsfermentation oder Zellkultivierung. Ziel dieser Verfahren ist es, das Tier vollständig aus der Lebensmittelproduktion zu ersetzen.
Erste Testprodukte zeigen bereits heute, dass das gelingt: Sie erreichen eine Qualität, die geschmacklich kaum noch von tierischen Proteinen zu unterscheiden sind.
Der Wandel ist notwendig
Noch sind viele dieser Entwicklungen nicht auf dem Markt. Doch weltweit investieren Staaten, Unternehmen und Start-ups Milliardenbeträge in genau diese Lösungen. Nicht aus Überzeugung, sondern aus pragmatischer Notwendigkeit.
Denn: Wenn wir in Zukunft zehn Milliarden Menschen ernähren wollen, brauchen wir ein Ernährungssystem, das mit weniger Fläche, Wasser und Energie auskommt.
Die tierische Landwirtschaft ist dafür schlicht zu ineffizient. Sie verbraucht enorme Mengen an Futtermitteln, um vergleichsweise wenig Kalorien zu erzeugen. Dieses System können wir uns auf Dauer nicht mehr leisten.

Der Wandel ist also nicht vorbei, er ist unausweichlich. Und er nimmt gerade erst richtig Fahrt auf, einfach unter einem neuen Namen.
Pragmatisch essen heisst in Zukunft also nicht, zurück zum Alten: Tierleid ignorieren, das Klima ausblenden und sich mit dem Schnitzel in der eigenen Komfortzone einrichten.
Sondern: Smart Proteins ohne Tier, einfach weil sie gut schmecken – und nebenbei kann man natürlich auch noch ein bisschen die Welt retten. Wenn man denn unbedingt will.
Zur Person: Mirjam Walser (39) schreibt auf Nau.ch regelmässig zu Veganismus, Ernährung und gesellschaftlichem Wandel. Als Coach und Gründerin der Vegan Business School unterstützt sie Menschen dabei, nachhaltige Unternehmen aufzubauen.












