Warum der Löwe als Argument für deinen Fleischkonsum nicht taugt
Sobald das Wort «vegan» fällt, geht es los mit den Argumenten – manchmal so absurd, dass Kolumnistin Mirjam Walser einfach nur lachen muss.

Das Wichtigste in Kürze
- Wenn Fleischkonsum gerechtfertigt wird, muss oft der Löwe als Vorbild herhalten.
- Auch der Dorfmetzger und der Regenwald werden gern ins Spiel gebracht.
- Kolumnistin Mirjam Walser zeigt: Das sind eher Wohlfühlgeschichten als echte Argumente.
«Aber Löwen fressen auch Fleisch!» Diesen Satz habe ich erst letzte Woche wieder gehört.
Diesmal kam er von einer jungen Frau mit Wurst in der einen Hand und Bier in der anderen, während ich am Grillfest Gemüse und Erbsenburger auf den Teller schaufelte.
Und ich dachte mir: Warum soll ausgerechnet der Löwe als Vorbild für den Fleischkonsum dienen? Lebst du sonst auch wie ein Löwe? Schlafend unter freiem Himmel, mit gelegentlichen Revierkämpfen vor der Fleischabteilung im Coop?
Kaum fällt das Wort «vegan», beginnt das grosse Bullshit-Bingo
Viele Menschen wissen längst, was hinter der ach so feinen Wurst auf dem Grill steckt. Aber kaum jemand möchte sich eingestehen, dass man für etwas Grillspass in Kauf nimmt, dass ein Tier stirbt und die Umwelt leidet.
Denn die meisten Menschen mögen Tiere. Und eine intakte Natur finden wir eigentlich auch ganz ok.
Aber die Wurst schmeckt halt. Und auf das Steak, das Käsplättli oder den Hotdog möchte man eben doch nicht verzichten. Also greifen wir zu altbewährten Sätzen wie:
«Ich esse ja nur ganz selten Fleisch.»
Dieser Satz klingt vernünftig. Er vermittelt das Gefühl, man habe die Problematik erkannt – und handle bereits entsprechend. Aber die Realität zeigt etwas anderes.
In der Schweiz werden pro Kopf jährlich rund 50 Kilogramm Fleisch gegessen. Wenn das «selten» ist, will ich nicht wissen, was «oft» bedeutet.

Und Fakt ist: Auch seltenes Tierleid bleibt Tierleid. Und reduzierte Umweltzerstörung ist eben trotzdem Zerstörung.
«Aber Soja zerstört den Regenwald!»
Sobald sich ein Veganer und ein Fleischesser begegnen, ist dieser Spruch nicht weit. Und diese Aussage stimmt sogar – zumindest teilweise. Denn für den Sojaanbau werden im Amazonas tatsächlich riesige Flächen gerodet.
Doch der grösste Teil des Sojas landet nicht in den Mägen der Veganer, sondern in den Futtertrögen von Rindern, Schweinen und Hühnern. Das Soja für Tofu, Milch oder Joghurt kommt meist aus Europa – manchmal sogar aus der Schweiz.

Wer den Regenwald retten will, sollte das Soja also lieber direkt essen. Ohne den Umweg durch den Kuhmagen.
«Meine Wurst kommt vom Metzger meines Vertrauens.»
Dieser Satz klingt persönlich und bodenständig. Er soll zeigen, dass man sich um Qualität und Tierwohl kümmert.
Aber dem Tier ist es am Ende egal, ob es in der Auslage der Dorfmetzgerei oder im Supermarkt landet. Es muss so oder so nach wenigen Monaten sein Leben lassen.
Und auch die Umwelt lässt sich nicht durch den charmanten Dorfmetzger bezirzen. Ihr ist es schnurz, wer der Metzger war, denn der CO2-Ausstoss bleibt, der Wasserverbrauch auch. Nur das Gefühl beim Essen ist ein anderes. Aber leider nur für uns.
Lasst den Löwen Löwe sein
Diese Sätze sind keine Argumente für den Fleischkonsum. Sie sind kleine Geschichten, die wir uns erzählen, um uns besser zu fühlen. Denn niemand hat Lust, sich beim Essen schlecht zu fühlen.

Und ja, das verstehe ich. Denn Veränderung ist mühsam. Ich habe auch mal gesagt: «Ich könnte nie auf Fleisch verzichten!» Heute esse ich vegane Würstli, die mich glücklicher machen als mein Ex.
Wir können den Löwen also getrost Löwe sein lassen. Er darf seine Antilope jagen und wir füllen unser Einkaufskörbli mit etwas, das niemandem schadet: Burger aus Bohnen, Aufschnitt aus Lupinen, Milch aus Hafer.
Denn wenn wir schon nicht leben wie ein Löwe, dann sollten wir vielleicht auch nicht essen wie einer.