Mit Norwich City liegt Christian Fassnacht derzeit auf Rang 13. Zuletzt kommt die YB-Legende unregelmässig zum Einsatz. Doch er will den Kampf annehmen.
Christian Fassnacht
Von YB verabschiedete sich Christian Fassnacht letzte Saison mit dem Double. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Nach sieben Titeln mit YB wagt Christian Fassnacht das Auslandsabenteuer in England.
  • Mit Norwich lief es dem 30-Jährigen zuletzt nur durchzogen.
  • «Fasi» erklärt im Nau.ch-Interview, wie er sich aus dem Loch kämpfen will.
Ad

Im vergangenen Sommer hat sich Christian Fassnacht nach sechs Jahren von YB verabschiedet. Im Gepäck: Fünf Meistertitel, zwei Cupsiege und zwei Teilnahmen an der Champions League. Beim englischen Zweitligisten Norwich City spielt er unter Ex-YB-Coach David Wagner.

Christian Fassnacht
Bei YB hat Christian Fassnacht in über 250 Pflichtspielen 75 Tore erzielt und 43 Treffer vorbereitet. - keystone

Nach einem guten Start kommt «Fasi» zuletzt weniger zum Zug. Im grossen Interview mit Nau.ch spricht der 30-Jährige ausführlich über seine Situation in England.

Nau.ch: Christian Fassnacht, wie geht es Ihnen?

Christian Fassnacht: So weit gut, ich bin gut ins neue Jahr gerutscht. Wir hatten schöne, aber spezielle Festtage, die habe ich so noch nicht erlebt.

Nau.ch: Speziell weil es in England keine Winterpause gibt?

Christian Fassnacht: Genau! Der Fussball-Kalender hat die Festtage bestimmt. Ich war zuvor daran gewöhnt, über diese Tage in die Berge zu fahren und Weihnachten im grossen Kreis zu feiern. Das war jetzt anders, die Familie kam nach England und wir haben verspätet ein wenig gefeiert. Aber auf dem Programm stand wirklich vor allem Fussball, Fussball, Fussball. Das war schon recht speziell.

Nau.ch: Der Blick auf die Championship-Tabelle zeigt: Es läuft Norwich mit Platz 13 nur so mittelprächtig. Ist das unter den Erwartungen?

Christian Fassnacht: Ich würde schon sagen, dass wir bisher unter den Erwartungen geblieben sind. Vor allem, weil ich weiss, zu was die Mannschaft eigentlich fähig wäre mit unserer Qualität. Die würde ausreichen, um oben mitzuspielen. Darum ist es schon richtig, dass wir derzeit underperformen.

Christian Fassnacht
Im Gegensatz zu seiner Zeit bei YB, spielt Christian Fassnacht in Norwich nicht mehr in jedem Spiel. - keystone

Nau.ch: Wie fällt Ihre persönliche Zwischenbilanz aus? Sie standen zuletzt nicht regelmässig in der Startelf.

Christian Fassnacht: Zuletzt musste ich ein wenig untendurch, das war ich mir – so blöd es klingt – nicht mehr gewohnt. Ich war in den letzten Jahren verwöhnt auf Club-Ebene. Ich habe die letzten fünf, sechs Jahre immer gespielt. Und wenn nicht, dann weil ich geschont wurde. Jetzt plötzlich spiele ich manchmal nicht, manchmal komme ich zu einem Teileinsatz.

Nau.ch: Kennen Sie die Gründe dafür?

Christian Fassnacht: Das entscheidet der Trainer. Vielleicht habe ich in seinen Augen nicht so performt, wie ich könnte. Dann waren wir als Verein auch in einer schwierigen Situation, in denen wir fünf-, sechsmal nicht gewonnen hatten. In diesen Spielen stand ich auf dem Platz. Aber ich mache mir da nicht gross Gedanken und gebe niemandem die Schuld dafür.

Ich arbeite für mich weiter und will aus diesem Loch wieder herauskommen. So klischeemässig wie es tönt: Es ist für mich etwas zum Lernen. Ich habe immer gesagt: Wenn ich ins Ausland wechsle, dann will ich ein Abenteuer eingehen, von dem ich profitieren kann. Ich glaube, darin stecke ich gerade komplett drin.

Christian Fassnacht
Bisher kommt Christian Fassnacht bei Norwich auf 16 Einsätze. - insta/fassnacht16

Nau.ch: Wie gehen Sie mit der neuen Erfahrung um? Was können Sie daraus lernen? Oder gibt es da auch mal dunkle Tage, an denen man alles hinterfragt?

Christian Fassnacht: Es ist schon eine schwierige Situation. Wie vorhin erwähnt: Ich bin mir das nicht gewohnt. Ich funktioniere so, dass ich immer zuerst mich selber hinterfrage und das Problem nicht bei anderen suche. Wenn es dann gar nicht läuft, kommen schon auch mal böse Gedanken. War es richtig? Habe ich etwas falsch gemacht? Die muss man aber direkt wieder wegstecken.

Ich konnte das einordnen und habe mich auch wieder mehr mit Mentaltraining beschäftigt. Das ist jetzt meine Challenge, die nehme ich an und will stärker da rauskommen. Und darum bin ich sicher, dass ich da als Gewinner herausgehe, auch wenn es in einigen Momenten nicht einfach ist.

Nau.ch: Taucht gerade in den negativen Phasen das Heimweh auf, oder ist das kein Thema?

Christian Fassnacht: Logisch vermisst man die Schweiz, die Familie und Freunde. Aber es ist nicht so, dass man das in solchen Momenten mehr vermisst. Es ist eher so, dass man sich hinterfragt: Habe ich mein perfektes Leben in der Schweiz aufgegeben, für etwas, das aktuell vielleicht etwas schwieriger ist? Aber ich merke jeweils schnell wieder, dass das zum Prozess gehört und ich daraus lernen kann. Zurück in die Schweiz kann ich schliesslich immer wieder.

Christian Fassnacht
YB-Verteidiger Loris Benito (links) ist nicht nur Ex-Mitspieler, sondern auch Freund von Fassnacht. - keystone

Nau.ch: Ihr guter Freund und Ex-YB-Kollege Loris Benito hatte ja auch einmal ein Tief nach seinem Wechsel zu Bordeaux. Ist er in dieser Hinsicht auch ein Ansprechpartner für Sie?

Christian Fassnacht: Ich bin regelmässig mit Loris in Kontakt und wir führen viele offene Gespräche, auch diesbezüglich. Er hat natürlich gute Tipps für mich und spricht mir immer Mut zu. Es war ja auch schön für ihn, dass er in die Schweiz zurückkehren und wieder angreifen konnte. Irgendwo geht man mit einem Auslandstransfer halt ein Abenteuer ein. Und egal, in welche Richtung es geht, entstehen immer wieder neue Wege und Möglichkeiten.

Nau.ch: Ihre Frau pendelt regelmässig zu Ihnen nach England. Wie wichtig ist ihre Unterstützung?

Christian Fassnacht: Für mich ist das das Wichtigste. In der Zeit, in der sie bei mir ist, gibt sie mir unglaublich viel Halt. Es macht schon einen Unterschied, ob man nach Hause kommt und alleine ist. Oder deine Frau ist da, und du jemanden hast, der dich versteht. Sie interessiert sich nicht so für den Fussball, darum geht das Leben auch mal normal weiter, mit anderen Themen. Das ist sehr wichtig.

Christian Fassnacht
Letzten Sommer hat Christian Fassnacht seine Jennifer geheiratet. - insta/fassnacht16

Nau.ch: Wie muss man sich eigentlich Christian Fassnacht vorstellen, wenn er alleine ist? Kommen Sie nach dem Training nach Hause, schieben eine Pizza in den Ofen und starten die Playstation?

Christian Fassnacht: (lacht) Erstens koche ich sehr gerne, deshalb gibt es das nicht – auch wenn ich Pizza sehr gerne mag. Aber natürlich gibt es auch die Abende vor dem TV.

Nau.ch: Oder kümmern Sie sich am Feierabend vor allem um Ihre Kleider-Firma?

Christian Fassnacht: Cedici ist natürlich häufig ein Thema, da ist mit meinem Geschäftspartner Eric immer viel los. Es ist ein Mix, aber aktuell brauche ich auch mehr Erholung als auch schon, weil die mentale Herausforderung grösser ist. Aber ich war schon früher nie einer, der einfach in die Glotze schaut.

Christian Fassnacht
Fassnacht hat mit «Cedici» eine eigene Kleidermarke. - insta/fassnacht16

Nau.ch: Soll Norwich eigentlich Ihre letzte Station sein oder möchten Sie Ihre Karriere in der Schweiz beenden?

Christian Fassnacht: Meine Karriere will ich garantiert in der Schweiz beenden, das steht für mich ausser Frage. Aber das hängt natürlich auch damit zusammen, ob es möglich ist. Es muss ja auch vom Timing her stimmen. Ist an diesem Zeitpunkt der richtige Verein auch gleich bereit?

Aber das ist Zukunftsmusik: Auch wenn es gerade schwierig läuft, habe ich mit meinem Auslandsabenteuer noch nicht abgeschlossen. Ich bin überzeugt: Wenn ich meinen Knopf wieder lösen kann, ist noch einiges möglich.

Christian Fassnacht
Für die Nati bestritt Christian Fassnacht 19 Länderspiele (4 Tore). - keystone

Nau.ch: Was sagen Sie zum Thema Nati? Ist die EM 2024 noch irgendwo ein Ziel?

Christian Fassnacht: Logisch ist die Nati im Hinterkopf. Aber momentan ist meine Situation im Verein unbefriedigend und ich bin mit mir selber nicht zufrieden. Da kannst Du auch nicht erwarten, dass Du an eine EM fahren darfst. Der Traum lebt zwar, aber den kann ich ja nur erfüllen, wenn ich im Club bessere Leistungen bringe.

Das heisst: Ich konzentriere mich voll und ganz auf Norwich, versuche hier mein Bestes zu geben. Wenn das Murat Yakin dann auch gefällt und er mich wieder brauchen kann – umso besser.

Trauen Sie Christian Fassnacht zu, sich für die EM aufzudrängen?

Nau.ch: Blicken wir zum Abschluss noch in die Schweiz: Dass Ihr Ex-Club YB wieder Meister wird, müssen wir wohl nicht verhandeln?

Christian Fassnacht: Ich gehe schwer davon aus (lacht). Ich verfolge YB immer noch intensiv. Es würde mich überraschen, wenn das bei dieser Qualität nicht gelingen sollte. Ein Selbstläufer ist es nicht, aber ich bin felsenfest überzeugt, dass sie es schaffen.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Champions LeagueLoris BenitoMurat YakinWeihnachtenPlaystationKalenderTrainerHeimwehEM 2024BSC Young Boys