Ungeachtet massiver Proteste hat die rechts-religiöse Regierung in Israel ihre umstrittene Reform zur Schwächung der Justiz im Land vorangetrieben.
Benjamin Netanjahu bei Kabinettssitzung am 12. März
Benjamin Netanjahu bei Kabinettssitzung am 12. März - POOL/AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Abgeordnete billigen Gesetz zur Aufhebung von Urteilen des Obersten Gerichts.

Die Abgeordneten der Knesset billigten in der Nacht zum Dienstag in erster Lesung einen zentralen Passus, der es dem Parlament erlauben würde, Urteile des Obersten Gerichts mit einfacher Mehrheit auszuhebeln. Am Mittwoch wird Regierungschef Benjamin Netanjahu zu einem dreitägigen Besuch in Deutschland erwartet.

Die Abgeordneten billigten die Gesetzesänderung mit 61 Ja-Stimmen, 52 Parlamentarier stimmten dagegen. Nimmt das Parlament den Text in zweiter und dritter Lesung an, tritt das Gesetz in Kraft.

Der als «Aufhebungsklausel» bezeichnete Passus ist ein Kernelement der von der Regierung Netanjahu geplanten Justizreform. Er würde es dem Parlament erlauben, mit einfacher Mehrheit Entscheidungen der Obersten Richter zu einem verabschiedeten Gesetz aufzuheben und deren weitere rechtliche Überprüfung zu verhindern.

Da Israel keine Verfassung hat dienen die Grundgesetze als solche. Ihrem Schutz durch die unabhängige Justiz kommt daher besondere Bedeutung zu. Die Justizreform ist eines der zentralen Anliegen der am weitesten rechts stehenden Regierung, die Israel je hatte.

Netanjahu und seine ultra-religiösen und rechtsextremen Koalitionspartner argumentieren, die Judikative in Israel habe derzeit zu viel Macht. Kritiker werfen Netanjahu hingegen vor, die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen zielten unter anderem auch darauf ab, ihn vor einer Amtsenthebung zu schützen. Gegen Netanjahu läuft derzeit ein Prozess wegen Korruption.

Zuvor hatte das Parlament in erster Lesung die Möglichkeiten eingeschränkt, einen amtierenden Ministerpräsidenten für geschäftsunfähig zu erklären. Für einen solchen Schritt wäre künftig eine Dreiviertelmehrheit im Parlament erforderlich. Eine Amtsenthebung durch das Oberste Gericht würde dadurch erschwert.

Im Regierungsviertel in Jerusalem versammelten sich am Dienstagmorgen erneut zahlreiche Menschen, um gegen die Gesetzesänderungen zu protestieren. «Stoppt die Eile in Richtung messianischer Diktatur und arbeitet auf Demokratie hin», forderten die Demonstrierenden, bevor die Polizei eingriff.

Seit rund zehn Wochen protestieren Menschen in ganz Israel gegen die Regierungspläne. Sie befürchten eine Aufhebung der Gewaltenteilung und damit eine Aushöhlung der Demokratie.

Der israelische Präsident Isaac Herzog forderte die Regierung erneut auf, das Projekt zu stoppen. Die «verfassungsrechtliche und gesellschaftliche Krise» schade dem Land, warnte Herzog. Die Krise «könnte diplomatische, wirtschaftliche, soziale und sicherheitspolitische Auswirkungen haben».

Der Schutz des unabhängigen Gerichtswesens in Israel als Kontrollinstanz der Regierung dürfte auch beim Besuch von Netanjahu in Deutschland Thema sein. Der israelische Regierungschef wird nach seiner Ankunft am Mittwoch zunächst am Donnerstag mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Kanzleramt zusammentreffen. Im Mittelpunkt des gemeinsamen Gesprächs sollen die bilaterale Zusammenarbeit sowie internationale und regionale Sicherheitsthemen stehen.

Später wird Netanjahu von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf Schloss Bellevue empfangen. Steinmeier hatte sich wie Herzog beunruhigt über den «geplanten Umbau des Rechtsstaats» in Israel geäussert.

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