Grüne formulieren politischen Führungsanspruch über ihre Kernthemen hinaus
Die Grünen haben bei der Vorstellung des Entwurfs für ihr neues Grundsatzprogramm ihren politischen Gestaltungsanspruch unterstrichen.

Das Wichtigste in Kürze
- Baerbock und Habeck stellen Entwurf für neues Grundsatzprogramm vor.
Parteichefin Annalena Baerbock sprach am Freitag von einem «Programm für die Breite der Gesellschaft, das unseren Führungsanspruch für und mit dieser Gesellschaft untermauert». Sei es früher darum gegangen, «ein Korrektiv zu sein», gehe es jetzt um «den Anspruch anzuführen», sagte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner.
Entsprechend nehmen traditionelle grüne Kernthemen wie Forderungen nach dem «Ausstieg aus allen fossilen Ressourcen» und mehr einem «neuen sozialen Sicherheitsversprechen» zwar breiten Raum ein - doch «wir formulieren in allen Bereichen unseren Anspruch, führend die Debatte zu treiben», hob Baerbock weiter hervor. Die Erfahrungen der Corona-Zeit müssten «ein Wendepunkt sein hin zu einer krisenfesten Gesellschaft».
Ausdrücklich zeigen sich die Grünen in dem Programmentwurf offen für neue politische Bündnisse, ohne sich dabei genauer festzulegen. «Politik ist, sich zusammenzutun und für eine bessere Zukunft einzustehen», heisst es in dem Text. Es gehe dabei aber «nicht um irgendwelche Farbspielchen», sagte Baerbock, sondern darum, eigene grüne Inhalte in den Vordergrund zu stellen.
«Wir wollen die Menschen in ihrer Freiheit und Würde zum Ausgangspunkt unserer Politik nehmen», sagte Ko-Parteichef Robert Habeck. Dabei stehe das Programm unter dem Motto «Veränderung, um Halt zu schaffen». Nachdrücklich bekannte sich Habeck zu Innovation und technischem Fortschritt, auch in heiklen Bereichen wie der Gentechnik. Allerdings sei Fortschritt nicht «in sich gut oder schlecht», sondern es gehe um dessen Nutzen für den Menschen.
Bei Umwelt und Klima orientierten sich die Grünen an «planetaren Grenzen», die nicht überschritten werden dürften, sagte Habeck. Eine «starke Besteuerung» solle dazu beitragen, ökologische Fehlentwicklungen zu vermeiden, die Einnahmen daraus aber konsequent «direkt an die Menschen zurückgehen». «Man muss sich nicht entscheiden zwischen Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit», sagte Baerbock, sondern beides jeweils im Einzelfall zusammen bewerten.
Vor dem Hintergrund der Corona-Krise wurde der Text zu Bildung von der Grünen-Spitze noch einmal «angeschärft». Es gehe um Konsequenzen aus der Erkenntnis, wie sehr «durch Schulausfall soziale Gleichheit verloren gegangen ist», sagte Habeck. Die Klassenstärke wollen die Grünen auf 20 Schüler begrenzen. Die Krankenhausfinanzierung solle durch «Vorsorgepauschalen» für das Bereithalten von Kapazitäten ergänzt werden - so wie bei der Feuerwehr, auch wenn es «mal zwei Jahre nicht brennt».
Die Grünen fordern auch, wichtige Grundstoffindustrien sowie die Herstellung von Gütern für kritische Infrastrukturen in Europa zu halten. Die EU solle zu einer «föderalen europäischen Republik weiterentwickelt werden», sagte Habeck. Die Fixierung auf eine schwarze Null im Bundeshaushalt lehnte er ab. Allerdings sei Sparsamkeit wichtig, «um Spielräume zu erwirtschaften».
In dem Programmtext verzichten die Grünen weitgehend darauf, Ziele und Forderungen detailliert auszuarbeiten oder zu beziffern. Dies werde im kommenden Jahr im Wahlprogramm geschehen, sagte Kellner. Das Grundsatzprogramm soll nun weiter beraten und auf einem Parteitag im November beschlossen werden.