Weisser Hai in der Adria: Wie gross ist das Risiko für Feriengäste?
Im Mittelmeer wurde kürzlich ein Weisser Hai gefangen. Wie gross ist das Risiko für Touristinnen und Touristen, einem zu begegnen? Ein Experte ordnet ein.

Das Wichtigste in Kürze
- Im Mittelmeer gibt es Weisse Haie – wie viele es genau sind, weiss man jedoch nicht.
- In der Adria ist einem Fischer kürzlich ein Jungtier ins Netz gegangen.
- Nau.ch ist der Frage nachgegangen, ob sich Feriengäste nun Sorgen machen müssen.
Rund zwölf Kilometer vor der Küste Montenegros hat ein Fischer kürzlich einen jungen Weissen Hai gefangen.
Den Raubfischen eilt ein blutrünstiger Ruf voraus – auch wegen Filmen wie «Der Weisse Hai».
Es war die dritte dokumentierte Sichtung eines Weissen Hais in diesen Gewässern seit drei Jahrzehnten. Wie viele im Mittelmeer leben, weiss niemand so genau.
Meeresbiologe Vital Heim, der an der Universität Basel promoviert hat, erklärt gegenüber Nau.ch: «Genaue Zahlen gibt es nicht. Dies ist bei Haipopulationen, vor allem bei grossen Arten, welche lange Wanderungen unternehmen, generell sehr schwierig zu berechnen.»
Denn aufgrund ihrer Mobilität könnten diese Arten verschiedene Ozeanbecken verbinden und durchqueren. «Auch das Erfassen genauer Sterbe- und Geburtsraten ist logistisch sehr schwierig», sagt Heim.
Population von Weissen Haien im Mittelmeer geschrumpft
Daher würden Angaben über Populationsgrössen oftmals auf opportunistischen Sichtungen, sogenannten «Capture-Recapture-Studies» oder Fischereidaten basieren. Diese Daten würden es dann erlauben, Trends über Jahre hinweg zu verfolgen. Und so Aussagen über die Entwicklung der relativen Populationsgrösse zu machen.

Für die Population von Weissen Haien im Mittelmeer gibt es auch solche Studien. Aufgrund neuster Resultate gehe man davon aus, dass diese zwischen 1975 und 2016 sehr stark zurückgegangen sei. Und zwar um 58 bis 72 Prozent.
Das habe dazu geführt, dass die Mittelmeerpopulation der Weissen Haie als «kritisch gefährdet» eingestuft wurde.
Obwohl sie selten sind, kann es doch zu Begegnungen kommen, wie der Fall in der bei Touristen beliebten Adria zeigt. Müssen sich Badegäste nun Sorgen machen?
Risiko für Hai-Angriff im Mittelmeer «verschwindend klein»
Der Meeresbiologe gibt Entwarnung: «Das Risiko, im Mittelmeer von einem Weissen Hai angegriffen zu werden, ist verschwindend klein. Generell sind Hai-Angriffe weltweit sehr, sehr selten.»
Man unterscheide dabei zwischen «unprovozierten» und «provozierten» Angriffen. Mit unprovozierten Angriffen sind alle gemeint, bei welchen der Mensch den Kontakt mit dem Hai nicht aktiv gesucht hat. Wo der Hai also in seinem natürlichen Lebensraum ist und von sich aus einen gezielten Versuch startet, den Menschen anzugreifen.
«Provozierte Angriffe sind alle die, welche aufgrund menschlichen Verhaltens entstehen», so Heim.
Im letzten Jahr seien weltweit 47 unprovozierte Fälle registriert worden, vier davon verliefen tödlich. Im Mittelmeer gab es aber keine Fälle.
Mittelmeer-Ferien können «in vollen Zügen» genossen werden
«Das heisst, das Risiko für Badegäste, im Mittelmeer von einem Weissen Hai angegriffen zu werden, ist extrem tief», hält Heim fest. «Es gibt also keine Gründe, warum Badegäste im Mittelmeer ihre Badeferien nicht in vollen Zügen geniessen sollten.»
Zudem gebe es noch einige Tipps, um dieses Risiko noch weiter zu senken: zum Beispiel, nie alleine im Meer schwimmen zu gehen, und auch nicht während der Abend- oder Morgendämmerung.
Ausserdem sollte man nicht bei schlechten Sichtverhältnissen im Meer baden und nicht zu weit hinausschwimmen. Überdies gelte es, Areale zu vermeiden, wo es viele Fische hat oder wo gefischt wird.
Der Meeresbiologe fügt hinzu: «Man sollte es vermeiden, glitzernde Gegenstände zu tragen und man sollte kein unnötiges Geplansche im Wasser verursachen.»
Aber was tun, sollte man allen Wahrscheinlichkeiten zum Trotz doch einem Weissen Hai im Meer begegnen?
Bei Hai-Begegnung bloss nicht in Panik geraten
«Das Wichtigste ist, ruhig zu bleiben und den Hai anzuschauen», rät Heim. «Ohne den Hai aus den Augen zu verlieren, sollte man dann versuchen, ruhig das Wasser zu verlassen.» Nachschwimmen oder bedrängen sollte man den Hai auf keinen Fall, auch Panik solle man vermeiden.
«Das Geplansche und der dabei entstehende Lärm kann die Neugierde des Hais wecken. Oder den Eindruck vermitteln, dass es sich beim für den Hai unbekannten Objekt, dem Badenden, um Beute handelt», so Heim.

Sollte der Hai trotzdem zu nah kommen, könne man versuchen, ihm mit einem Objekt auf die Schnauze zu schlagen. Und: «Kommt es zu einem Biss, sollte man versuchen, mit den Fingern dem Hai in die Augen oder seitlich in die Kiemenspalten zu drücken.»
Generell würden Interaktionen mit Haien jedoch friedlich verlaufen.
40 bestätigte Haiarten im Mittelmeer
Neben dem Weissen Hai kommen im Mittelmeer auch andere Haie vor. Insgesamt gibt es dort über 40 bestätigte Haiarten.
«Nur etwa die Hälfte davon sind gross genug, um dem Menschen potenziell gefährlich zu werden», erklärt der Meeresbiologe. Zum Beispiel der Blauhai, Schwarzhai, Kurzflossen-Makohai, drei Hammerhai-Arten – und natürlich der Weisse Hai.
«Aber nur wenige dieser 20 Arten kommen in Gebieten vor, wo es viele Badegäste hat», sagt Heim. «Und nur für drei dieser Arten wurden bisher Zwischenfälle mit Menschen im Mittelmeer dokumentiert.» Dabei handelt es sich um den Weissen Hai, den Blauhai und den Schwarzhai.
Abschliessend gilt festzuhalten, dass es sehr unwahrscheinlich ist, im Meer einem Weissen Hai zu begegnen. Denn oftmals bevorzugen sie auch Lebensräume fernab von Gebieten, welche Menschen für Wasseraktivitäten aufsuchen, erklärt Heim. Hinzu käme, dass Haie oft sehr vorsichtig sind.
Der Meeresbiologe hält fest: «Das Volumen der Weltmeere ist immens und zusätzlich haben Weisse Haie ein grosses Verbreitungsgebiet.»
Die Wahrscheinlichkeit, zur selben Zeit am gleichen Ort mit einem Weissen Hai im oder auf dem Wasser zu sein, sei «verschwindend klein».