Angesichts der Blockade im britischen Unterhaus haben sich die EU-Staaten für eine erneute Verschiebung des Brexit ausgesprochen.
Flaggen der EU und Grossbritanniens
Flaggen der EU und Grossbritanniens - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Deutschland plädiert für «flexible» Verlängerung bis Ende Januar.

Wie aus EU-Kreisen am Mittwochabend in Brüssel verlautete, sind die anderen 27 Länder für eine Verlängerung, um einen chaotischen Austritt am 31. Oktober zu verhindern. Die Dauer sei aber noch offen. Diplomaten zufolge sind Deutschland und die meisten Regierungen für eine Verschiebung bis Ende Januar.

Es sei «einhellige Sichtweise, dass eine Verlängerung nötig ist, um die Blockade in London zu beseitigen», sagte ein EU-Diplomat nach einem Treffen der Mitgliedstaaten in Brüssel. «Die Stimmung im Raum deutet auf eine längere Verschiebung hin.» Die EU-Staaten haben den Brexit-Termin seit Ende März bereits zweimal verschoben. Eine Entscheidung darüber muss einstimmig gefällt werden.

Das britische Unterhaus hatte am Dienstag ein beschleunigtes Verfahren zur Ratifizierung des mit der EU ausgehandelten Austrittsabkommens abgelehnt. Premierminister Boris Johnson kündigte daraufhin an, den Gesetzgebungsprozess auszusetzen, bis die EU über die Brexit-Verschiebung entschieden hat.

«Die Dauer der Verlängerung wird aber weiter diskutiert», sagte ein EU-Vertreter nach einem Treffen der Botschafter der 27 Mitgliedstaaten ausser Grossbritannien. Diese kommen demnach voraussichtlich am Freitag erneut zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten.

EU-Ratspräsident Donald Tusk werde in der Zwischenzeit weitere Konsultationen führen. Die EU-Botschafter forderten laut einem Diplomaten die britische Regierung erneut auf, die EU darüber zu informieren, welches ihre «nächsten Schritte» sind.

In London wird heftig darüber diskutiert, ob es Neuwahlen geben soll. Justizminister Robert Buckland sagte der BBC, diese seien der «einzige Weg aus der Sackgasse». Allerdings benötigt Johnson, der eine Minderheitsregierung anführt, für das Ansetzen von Neuwahlen die Unterstützung von zwei Dritteln der Parlamentsabgeordneten. Die oppositionelle Labour-Partei hat Neuwahlen bereits zwei Mal abgelehnt.

Aktuellen Umfragen zufolge würden derzeit 35 Prozent der Briten Johnsons Tories ihre Stimme geben, 25 Prozent der Labour-Partei. Neuwahlen könnten binnen eines Monats abgehalten werden.

EU-Ratspräsident Tusk hatte sich bereits am Dienstag für eine Verlängerung der Brexit-Frist bis Ende Januar ausgesprochen. Diese Verschiebung hatte Johnson am Wochenende auf Druck des Unterhauses gegen seinen Willen beantragen müssen. Er bekräftigte aber laut Diplomaten in einem Telefonat mit Tusk am Mittwoch, dass er weiter keine Verschiebung will.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich offen für eine Brexit-Verschiebung. «An Deutschland scheitert eine Verlängerung nicht», sagte ihr Sprecher Steffen Seibert in Berlin. Dem Vernehmen nach unterstützt Deutschland eine «flexible» Verlängerung bis zum 31. Januar 2020. Grossbritannien könnte damit auch vor diesem Termin austreten, wenn die Ratifizierung des Austrittsabkommens gelingt.

Insbesondere Frankreich will eine kürzere Zeitspanne, um Johnson zu helfen, das vereinbarte Austrittsabkommen schnell durch das Unterhaus zu bekommen. Europa-Staatssekretärin Amélie de Montchalin hatte am Dienstagabend eine «rein technische Verlängerung» der Brexit-Frist «um einige Tage» ins Spiel gebracht. Nach Angaben mehrerer Teilnehmer wurde aber bei dem Botschaftertreffen kein konkretes kürzeres Datum diskutiert.

Die EU-Länder wollen zudem möglichst einen Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs vermeiden, um die Verschiebungsfrage zu klären. Die meisten Staaten bevorzugten es, die Verlängerungsentscheidung «im schriftlichen Verfahren» zu treffen, sagte der EU-Vertreter.

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