Abschaffung Heiratsstrafe: Kantone gehen auf die Barrikaden
Die kantonalen Finanzdirektoren fordern ihre Kantone auf, das Referendum gegen die Abschaffung der Heiratsstrafe zu ergreifen. Das gibt es äusserst selten.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Finanzdirektoren der Kantone sind gegen die Abschaffung der Heiratsstrafe.
- Sie fordern die Kantone auf, das Kantonsreferendum dagegen zu ergreifen.
- Im Parlament stösst aber sogar die weitergehende Volksinitiative auf Zustimmung.
So, wie es 50'000 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger können, können es auch acht Kantone: Gegen ein neues Gesetz ein Referendum erzwingen.
Nun stimmt das Stimmvolk zwar oft mehrmals jährlich über ein Referendum ab. Das Kantonsreferendum, obwohl seit 1874 möglich, gab es bislang aber erst ein einziges Mal.
Kantonsreferendum: Drastisches Mittel
Nun soll es erneut ergriffen werden, gegen das Bundesgesetz über die Individualbesteuerung. Dazu fordert die Finanzdirektorenkonferenz (FDK) ihre Kantone auf.
Der Zürcher Regierungsrat und FDK-Präsident Ernst Stocker ist gegenüber Nau.ch zuversichtlich: «Nach den Diskussionen, die wir geführt haben, glaube ich, dass acht oder mehr zusammenkommen.»

Und dies, obwohl National- und Ständerat nicht nur für das Gesetz sind. Sondern sogar für die Steuergerechtigkeits-Initiative, zu der das Gesetz eigentlich «nur» ein Gegenvorschlag darstellt. Weshalb dann gleich zum drastischen Mittel «Kantonsreferendum» greifen?
Zankapfel Heiratsstrafe
FDK-Präsident Stocker relativiert die vordergründig klare Haltung des Parlaments: Dort sei man sich in dieser Frage gar nicht so einig. «Es sind hauchdünne Abstimmungen, im Ständerat mit nur einer Stimme Differenz.»
Auf der anderen Seite erachteten die Kantone den Weg als falsch, ausserordentlich aufwändig und nicht zielführend. «Uns werden immer nur die Bundessteuern vorgerechnet – aber das ist nur ein Teil des schweizerischen Steuersystems. Der kantonale Anteil betrifft die Steuerpflichtigen zudem weitaus stärker.»
«Niemand kommt verheiratet zur Welt»
Wer da «vorrechnet», das ist der Trägerverein der Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung», genannt Steuergerechtigkeits-Initiative.
Die Ängste einiger Kantone bezüglich Steuerausfällen und administrativem Mehraufwand seien unbegründet, heisst es in einem offenen Brief an die Kantonsregierungen. Dieser wurde praktisch gleichzeitig wie die Forderung der Finanzdirektoren veröffentlicht.

In einer ersten Phase gebe es zwar Umstellungsaufwand und vorübergehend Mindereinnahmen. Im Gegenzug gebe es dann aber eine höhere Erwerbsquote und damit mehr Steuereinnahmen.
Auch administrativ werde es einfacher, argumentiert der Trägerverein, denn: «Niemand kommt bereits verheiratet zur Welt.»
Ergo gebe es im Laufe des Lebens viele Wechsel bei der Besteuerung: bei Heirat, Scheidung oder Trennung und beim Ableben eines Ehepartners. Mit der Individualbesteuerung aber falle solches weg.
Können Kantone gewinnen?
«Wir teilen diese Ansicht nicht», entgegnet Ernst Stocker, der oberste Finanzdirektor, simpel und einfach. Der Aufwand werde grösser, allein in seinem Kanton Zürich seien es Tausende zusätzlicher Steuererklärungen.
Der Hauptaufwand aber liege bei den Steuerpflichtigen: «Die Verheirateten müssten neu zwei Steuererklärungen ausfüllen», gibt Stocker zu bedenken.
Auch müssten viele Rechtsgebiete überarbeitet werden, zum Beispiel die Prämienverbilligung: «Bei sehr ungleichen Einkommen könnte sonst der eine Ehepartner viel verdienen, der andere aber Prämienverbilligungen beantragen.»

Das Kantonsreferendum, sollte es zustande kommen, wäre wohl eher symbolischer Natur. Denn abgestimmt würde wohl so oder so, da auch SVP und Mitte das Referendum ergreifen dürften.
Interessant ist hingegen: Das letzte – und einzige – Mal, dass ein Kantonsreferendum zustande kam, war 2003, als es ebenfalls um Steuerfragen ging.
Auch damals wäre so oder so abgestimmt worden, weil auch 50'000 Unterschriften gesammelt wurden. Das Stimmvolk lehnte die Gesetzesänderung mit zwei Dritteln der Stimmen ab – die Kantone waren also siegreich.