Als eine Bombe in die Strasse schlägt, über die eben der Schulbus ihrer Kinder fuhr, beschliesst eine syrische Familie, zu fliehen. Das ist ihre Geschichte.
Suher Serieh: «Man denkt, man lebt auf der sicheren Seite der Stadt. Aber in einer Sekunde kann sich das ändern.»
Suher Serieh: «Man denkt, man lebt auf der sicheren Seite der Stadt. Aber in einer Sekunde kann sich das ändern.» - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • 2013 floh die Familie Serieh mit vier Kindern von Damaskus (SYR) in die Schweiz.
  • Nau berichtet in einer sechsteiligen Serie über das Schicksal der Familie.
  • Teil I: Warum die Seriehs sich zur Flucht entschlossen haben.
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Früher Morgen in Damaskus, Syrien. Suher Serieh hört ein Flirren in der Luft. Sie kennt das Geräusch. Aber so nah war es noch nie. «Es ist nur eine kleine Bombe», denkt sie erleichtert, als sie die Detonation hört. Zu weit weg, um den Schulbus auszulöschen, in dem ihre beiden grossen Kinder sitzen.

Bald sind Shadi und Logain in der Schule. Dort sind sie sicherer. «Hoffentlich fährt der Bus schnell», denkt Frau Serieh. Dann erklingt das Surren und Flirren erneut. Näher. Lauter. Ohrenbetäubend.

Die Bombe, die jetzt auf der Strasse voller Menschen detoniert, hinterlässt einen Krater, so gross wie eine Vierzimmer-Wohnung. Die Häuser wackeln. Glas platzt. Frau Serieh wird von der Druckwelle auf den Boden geworfen. Sie stürmt zurück zum Fenster. Rauch und Staub vernebeln die Sicht. Sie hört Menschen schreien.

«Zwei meiner Kinder sind tot» – zusammen mit dem Nebel aus Schutt und Rauch, droht dieser Gedanke, Frau Serieh zu ersticken.

Zeit, zu gehen

Als die grosse Bombe explodiert, steigen die Schüler gerade aus dem Bus: Er fuhr Minuten vor der Detonation an der Einschlag-Stelle vorbei. Shadi, Logain und ihre Schulkameraden haben ein paar Schrammen und blaue Flecken, mehr nicht. Die weitaus tieferen Wunden hinterlässt der Schock.

Suher mit Noor (9, links) und Zuher (10), ihren beiden Jüngsten. Die Tochter (17) macht gerade ein Praktikum in Beatenberg. Der Sohn (18) eine Lehre zum Automechaniker.
Suher mit Noor (9, links) und Zuher (10), ihren beiden Jüngsten. Die Tochter (17) macht gerade ein Praktikum in Beatenberg. Der Sohn (18) eine Lehre zum Automechaniker. - Nau

An diesem Tag beschliessen Frau und Herr Serieh, dass der Schulweg ihrer Kinder keine Todesfalle sein darf. Dass sie sich nicht jeden Morgen voneinander verabschieden können, als wäre es für immer. Sie werden fliehen.

Syrien – Libanon – Türkei – Kreuzlingen: Am 9. Oktober 2013 erreicht die Familie Serieh die Schweiz. In ihrer Heimatstadt hagelt es Bomben. In der Schweiz fallen die Blätter gelb und rot von den Bäumen. Werden sie hier, wo die Kinder ohne Angst zu Fuss in die Schule gehen, bleiben dürfen?

Die ganze Geschichte der syrischen Flüchtlingsfamilie Serieh

1. Von Damaskus in die Berner Alpen – Die Familie Serie flieht aus Syrien
2. «Schmarotzer, ihr wollt doch nur unser Geld» – Beleidigungen auf dem Pausenplatz
3. «Habt ihr keine Schweizer gefunden?» – Wohnungssuche in der Schweiz
4. «Dürft ihr überhaupt arbeiten?» – (K)eine Zukunft mit Ausweis F
5. Muslimischer Patriarch oder Gentleman? – Schweizerisch-Syrische Differenzen
6. Schuldzuweisung und HeimwehWer trägt die Verantwortung am Krieg? Und wo ist «daheim»?

Landidyll statt Kriegsgebiet. 2013 fliegt die Familie Serieh aus Damaskus (SYR) ins Berner Oberland.
Landidyll statt Kriegsgebiet. 2013 fliegt die Familie Serieh aus Damaskus (SYR) ins Berner Oberland. - Nau.ch
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