Eine syrische Familie flieht in die Schweiz. «Ihr wollt doch nur unser Geld», rufen die Schüler den Flüchtlingskindern entgegen. Beissen sie die Zähne zusammen?
Eine syrische Flüchtlingsfamilie flieht von Damaskus in die Berner Alpen. Der Kulturschock ist gross - auf beiden Seiten.
Eine syrische Flüchtlingsfamilie flieht von Damaskus in die Berner Alpen. Der Kulturschock ist gross - auf beiden Seiten. - Keystone / Nau.ch
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Das Wichtigste in Kürze

  • 2013 floh die Familie Serieh mit vier Kindern von Damaskus (SYR) in die Schweiz.
  • Nau berichtet in einer sechsteilige Serie über das Schicksal der Familie.
  • Teil II: Ankunft auf dem Pausenplatz.

«Schmarotzer» rufen die Schweizer Schüler den Ausländern in der speziellen Deutschklasse hinterher. Shadi ist 14 Jahre alt. Nach einigen Deutschstunden versteht er, was «Schmarotzer» heisst. Daheim aber erzählt er nichts davon. Dort gibt es genug andere Sorgen.

Daheim, das ist ein einziges Zimmer im Auffanglager. Hier wohnt die sechsköpfige Familie Serieh, seit sie aus Syrien in die Schweiz geflohen ist.

«Scheiss Ausländer»

«Ihr seid doch nur da, weil ihr unser Geld wollt», rufen die Kinder, wenn Shadi an ihnen vorbei geht. Beim Abendessen erklärt Mama Suher, was der Ausweis F bedeutet: Vorläufig in der Schweiz aufgenommen – weil die vier Kinder und ihre Eltern in Syrien in tödlicher Gefahr wären.

«Scheiss Ausländer», zischen die Mitschüler. Shadi sagt nichts. Die Tage vergehen.

Landidyll statt Kriegsgebiet. 2013 fliegt die Familie Serieh aus Damaskus (SYR) ins Berner Oberland.
Landidyll statt Kriegsgebiet. 2013 fliegt die Familie Serieh aus Damaskus (SYR) ins Berner Oberland. - Nau.ch

Mama Suher merkt, wie still ihre beiden Grossen sind. Dann werfen die Schüler der Regelklasse der zwölfjährigen Logain Schmutz vor die Füsse. Jetzt erst sagt Shadi etwas. Es kommt zum Elterngespräch – und danach endlich zu Ruhe auf dem Pausenplatz.

«Gebt den anderen Kindern Zeit», predigt Mama Suher daheim. «Wenn sie euch kennenlernen, werden sie sehen, dass man keine Angst haben muss vor uns Muslimen. Dann wird alles besser.»

Das erste Jahr in der Schweiz vergeht. Alles wird tatsächlich ein bisschen besser. Der Kanton Bern verlängert die Aufenthaltsbewilligung um weitere zwölf Monate. Herr und Frau Serieh gehen auf Wohnungssuche.

Suher mit Noor (9, links) und Zuher (10), ihren beiden Jüngsten. Die Tochter (17) macht gerade ein Praktikum in Beatenberg. Der Sohn (18) eine Lehre zum Automechaniker.
Suher mit Noor (9, links) und Zuher (10), ihren beiden Jüngsten. Die Tochter (17) macht gerade ein Praktikum in Beatenberg. Der Sohn (18) eine Lehre zum Automechaniker.
Logain (17) beginnt im August ihre Lehre als Zahnarzt Dentalassistentin. Sie will die Berufsmatura machen, studieren und einst selber Zahnärztin werden.
Logain (17) beginnt im August ihre Lehre als Zahnarzt Dentalassistentin. Sie will die Berufsmatura machen, studieren und einst selber Zahnärztin werden.
Papa Basem hoch über der Spiezer Bucht. Hinter ihm glitzert der Thunersee.
Papa Basem hoch über der Spiezer Bucht. Hinter ihm glitzert der Thunersee.

Die ganze Geschichte der syrischen Flüchtlingsfamilie Serieh

1. Von Damaskus in die Berner Alpen – Die Familie Serie flieht aus Syrien
2. «Schmarotzer, ihr wollt doch nur unser Geld» – Beleidigungen auf dem Pausenplatz
3. «Habt ihr keine Schweizer gefunden?» – Wohnungssuche in der Schweiz
4. «Dürft ihr überhaupt arbeiten?» – (K)eine Zukunft mit Ausweis F
5. Muslimischer Patriarch oder Gentleman? – Schweizerisch-Syrische Differenzen
6. Schuldzuweisung und Heimweh – Wer trägt die Verantwortung am Krieg? Und wo ist «daheim»?

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