Die Furcht vor einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus und den Folgen für Unternehmen sorgt in der Wirtschaft weiter für Unruhe.
Zunehmen wirtschaftliche Probleme durch Coronavirus
Zunehmen wirtschaftliche Probleme durch Coronavirus - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Ökonom Felbermayr erwartet «Lehman-Brüder-Moment» bei Managern.

Während die Aktienkurse am Mittwoch erneut unter Druck gerieten, warnte die Europäische Handelskammer in China davor, dass bei Waren aus der Volksrepublik Engpässe bevorstehen könnten. Der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Gabriel Felbermayr, sprach sich angesichts dessen für ein grundsätzliches Umdenken bei internationalen Wertschöpfungsketten aus.

Sorge bereitet vor allem die Zunahme an Infektionen auch in Europa. Die Aktienmärkte in Bedrängnis brachten am Mittwoch zudem weitere Unternehmensmeldungen über die konkreten finanziellen Folgen der Epidemie. So kündigte etwa die Lufthansa ein Sparpaket an, um Einnahmeverluste auszugleichen. Der britische Spirituosenriese Diageo - Hersteller unter anderem von Smirnoff-Wodka, Baileys und Guinness-Bier - bezifferte erwartete Umsatzeinbussen mit knapp 390 Millionen Euro. Auch der Lebensmittelkonzern Danone senkte eine Prognose für 2020 ab.

Der Präsident der Europäischen Handelskammer in China, Jörg Wuttke, bezeichnete die wirtschaftlichen Folgen durch das neuartige Virus als «weit krasser als die meisten vermuten». Ihn erreichten «Hilfeschreie aus allen Ecken», sagte er der Zeitung «Die Welt» vom Mittwoch. Viele in China tätige mittelständische Unternehmen kämen schon jetzt in die Bredouille.

Bisher unterschätzt würden auch die Folgen für die Versorgung in Deutschland. Allein die grossen Reedereien Cosco und Maersk hätten in den vergangenen vier Wochen jeweils 70 Containerschiffe nicht auslaufen lassen. Da die Schiffe sechs Wochen unterwegs seien, kämen derzeit zwar immer noch Schiffe aus China an, «schon bald werden aber sehr viel weniger ankommen, dann werden in Europa etliche Produkte knapp werden», sagte Wuttke. Dies dürfte ab März besonders die Pharmabranche treffen, aber auch andere Bereiche.

Der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Gabriel Felbermayr, erwartet vor diesem Hintergrund ein generelles Umdenken bei Managern. Er rechne mit einer Art «Lehman-Brüder-Moment», sagte er im Deutschlandfunk in Erinnerung an das Finanzhaus Lehman Brothers, dessen Pleite 2018 eine weltweite Bankenkrise mitausgelöst hatte.

Der IfW-Chef geht davon aus, dass sich Unternehmenslenker künftig wieder stärker der Fragilität internationaler Verflechtungen bewusst werden - und die Produktion tendenziell wieder etwas mehr nach Europa verlagert wird. Er gehe davon aus, «dass die Wertschöpfungsketten etwas kürzer werden und die Globalisierung ein Stück zurückgehen wird», sagte Felbermayr.

Bereits am Dienstag hatte Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire die Coronavirus-Epidemie angesichts der Verwundbarkeit international verzahnter Lieferketten als «Game Changer» für die Globalisierung bezeichnet - also ein Ereignis, das die bisherige Entwicklung völlig umkrempelt. Der Ausbruch und seine Folgen hätten eine «unverantwortliche und unvernünftige» Abhängigkeit von China offenbart, sagte er. Neu gedacht werden müssten nun die globalen Lieferbeziehungen insbesondere in der Gesundheits- und Autoindustrie.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, äusserte sich alarmiert darüber, dass sich das Virus zuletzt auch in Europa und insbesondere in Italien weiter ausbreitete. «Jeder Tag ist kritisch», sagte er den Sendern RTL und n-tv. Das Virus treffe die Wirtschaft «zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, denn die deutsche Wirtschaft lahmt schon», warnte er mit Blick auf die zuletzt schwächelnde Konjunktur. Der globale Handel habe bereits aufgrund von Handelskonflikten und des Brexit gelitten, sagte Fratzscher. Jetzt komme noch ein «zusätzliches Risiko» hinzu.

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