Fleischkonsum: Hühner picken weiterhin bis zum Kannibalismus!
Tieren für Fleisch & Co. ohne Betäubung Schmerzen zufügen – wer macht denn so was? Kommt leider vor. Und soll bald deklariert werden. Die Wende im Fleischkonsum?

Das Wichtigste in Kürze
- Mussten Tiere in der Produktion für Fleisch und Co. leiden, soll das neu deklariert werden
- Dies betrifft Importware und soll für mehr Transparenz sorgen.
- Aber: Das alltägliche Leiden der Tiere in den Ställen wird weiterhin beschönigt.
- Zu Tierleidprodukten gibt es Alternativen – und diese empfinden keinen Schmerz.
Haben Sie es schon gesehen? Die neue Kennzeichnung, die dem Steak, den Pouletbrüstli und anderen tierischen Produkten ein kleines, aber feines Extra verpasst.
Allerdings kein neues Bio-Label, keine klimafreundlichen Pluspunkte. Sondern ein Satz, bei dem die Marketingabteilung vermutlich kurz in Ohnmacht gefallen ist: «Mit schmerzverursachenden Eingriffen ohne Schmerzausschaltung produziert.»
Klingt nicht besonders appetitlich, ist aber politisch so gewollt.
Der Bundesrat hat beschlossen: Wenn Tieren ohne Betäubung Schmerzen zugefügt wurden, muss das künftig auf der Verpackung stehen.
Gemeint sind Eingriffe wie das Kastrieren oder Enthornen von Rindern, das Abschneiden von Ringelschwänzchen bei Ferkeln oder das Kürzen von Schnäbeln bei Hühnern. Alles ohne Narkose und alles ziemlich schmerzhaft.
Ziel ist, genau das für Konsumenten sichtbar zu machen. Mit einem klaren Hinweis auf Produkten wie Fleisch, Milch oder Eiern.
Die neue Kennzeichnungspflicht tritt ab Juli in Kraft, mit einer Übergangsfrist von zwei Jahren. Die Details dazu erklärt Meret Schneider in ihrer Kolumne.
Wichtiger Schritt für mehr Transparenz, aber ...
Aufhorchen lässt das allemal, auch wenn die Regelung am Ende nur Importware betrifft. In der Schweiz sind solche Eingriffe längst verboten. Also alles gut?
Wir greifen zu Schweizer Fleisch, vermeiden die «schlimme» Importware. Und können mit gutem Gewissen weiterbraten? Nicht ganz.

Denn wer genauer hinschaut, merkt schnell: Deklariert wird nur ein winziger Ausschnitt der Probleme in der industriellen Tierhaltung. Die Spitze des Eisbergs.
Was tagtäglich in den Ställen passiert (auch in der Schweiz) bleibt weiterhin gut versteckt hinter Bildern von grasenden Kühen und gackernden Hühnern.
Ein Beispiel sind die Hühner.
Glückliche Hühner? Eher nicht
Beim Stichwort Hühnerhaltung tauchen vor dem inneren Auge gerne ein paar flatternde Federviecher auf – irgendwo auf einer hübschen Wiese, zwischen Bauernhofidylle und Landliebe-Ästhetik.
Die Wirklichkeit sieht meist anders aus. Rund 13 Millionen Hühner gibt es hierzulande. Die meisten Hennen leben in Grossbetrieben mit mehreren tausend Artgenossinnen. Anders wäre eine so hohe Anzahl an Tieren in der Schweiz kaum zu halten.
Und für Tierwohl bleibt dort wortwörtlich wenig Platz.

Pro Henne wird gerade mal eine A4-Seite Platz berechnet. Auf dieser Fläche wird geschlafen, gefressen – und fast täglich ein Ei gelegt.
Laut der Universität Bern haben 97 Prozent der Legehennen im Laufe ihres Lebens einen gebrochenen Brustknochen. Kein Wunder: Wer nonstop wie ein Eierautomat funktionieren muss, geht irgendwann kaputt.
Es herrscht Stress, Enge, Monotonie. Das Ergebnis: Schmerzhaftes Federpicken bis hin zu Kannibalismus. Nicht, weil Hühner aggressiv wären. Sondern, weil das System krank ist.
Nach rund anderthalb Jahren ist Schluss. Dann werden die Tiere geschlachtet. Obwohl sie bis zu zehn Jahre alt werden könnten.
Klingt dramatisch – und ist es auch. Natürlich gibt es Betriebe, die bessere Bedingungen bieten – keine Frage. Aber auch dort gilt: Wer nichts mehr bringt, wird geschlachtet. Ob Bio oder konventionell.
Wer nichts mehr bringt, wird aussortiert
Ein anderes Beispiel: Schweine. Auch hier ist wenig Platz für Naturromantik. Sie leben nur so lange, wie sie sich rechnen. Dabei gehören Schweine zu den intelligentesten und sozialsten Tieren im Stall – nur dürfen sie das leider nicht ausleben.
Stattdessen: Innerhalb von sechs Monaten werden die Ferkeli auf rund 110 Kilo hochgemästet – dann ist Schluss.

Viele von ihnen landen in der CO₂-Gaskammer – eine Tötungsmethode, die laut Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen zwar üblich, aber auch «umstritten» ist.
Denn das Gas kann Atemnot, Panik und Schmerzen auslösen – bevor die Tiere das Bewusstsein verlieren, können Sekunden oder gar Minuten vergehen.
Tierfreundlich klingt das nicht, ist aber Alltag. Nur: Konsumenten wissen davon wenig. Auf der Verpackung steht nichts und es muss auch nicht deklariert werden.
Ebenso wenig die Enge im Hühnerstall oder die gebrochenen Brustbeine jener Tiere, deren Eier gerade in der Pfanne brutzeln.
Warum?
Schöner essen – ohne Nachfragen
Niemand will beim Zmorge daran erinnert werden, was wirklich hinter dem Frühstücksei steckt – oder dem Schinken auf dem Brot. Da glauben wir lieber weiter an das Märchen von glücklichen Tieren auf saftigen Wiesen.
Dabei ginge es auch anders: Fleisch, Milch, Eier & Co. deutlich reduzieren – ganz egal, ob auf der Verpackung ein Hinweis auf «schmerzverursachende Eingriffe» steht oder nicht.
Und stattdessen öfter mal Pflanzliches in den Kochtopf oder auf den Grill legen.

Das Gute daran? Der Anbau von Sojaschnitzel, Linsen, Zucchini & Co. kommt ganz ohne ängstliches Quieken, Schmerzen und Betäubung aus.
Und keine Sorge: Der Tofuburger hat keine Gefühle. Du darfst ihn also mit bestem Gewissen auf den brandheissen Grill legen.
Zur Person: Zur Person: Mirjam Walser (39) schreibt auf Nau.ch regelmässig zum Thema Veganismus und Tierrechte. Als Coach und Gründerin der Vegan Business School ist sie Expertin für veganes Unternehmertum und vegane Innovationen.