Der Anteil Jugendliche, die an psychischen Belastungen leiden, hat sich zwischen 2017 und 2020/21 mehr als verdoppelt.
Schlechtere psychische Gesundheit: Blick in die Klinik für Kinder und Jugendliche an den Universitären Psychiatrischen Kliniken in Basel. (Archivbild)
Schlechtere psychische Gesundheit: Blick in die Klinik für Kinder und Jugendliche an den Universitären Psychiatrischen Kliniken in Basel. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/URS FLUEELER
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Das Wichtigste in Kürze

  • Seit der Corona-Pandemie ist die Zahl der psychisch Erkrankten in der Schweiz gestiegen.
  • Insbesondere bei den Jugendlichen haben psychische Belastungen zugenommen.
  • Hauptbetroffen waren Mädchen und junge Frauen.

Seit Beginn der Covid-19-Pandemie berichten immer mehr Menschen über grössere psychische Belastungen. Besonders Jugendliche leiden: Zwischen 2017 und 2020/21 hat sich der Anteil der Betroffenen laut einem neuen Bericht mehr als verdoppelt.

Die Hospitalisierungen von Kindern und Jugendlichen in psychiatrischen Kliniken nehmen zwar bereits seit 2012 kontinuierlich zu, wie das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan) in seinem am Donnerstag veröffentlichten Bericht über die psychische Gesundheit schreibt.

Ab September des ersten Coronavirus-Jahr 2020 zeigte die Kurve aber nach oben. Hauptbetroffen waren Mädchen und junge Frauen, die an Depressionen litten. Auch die Spitaleinlieferungen nach Suizidversuchen nahmen ab 2017 deutlich zu, wiederum vor allem durch Mädchen und junge Frauen. Bei den ab 19-Jährigen liess sich keine solche Entwicklung feststellen.

Mehr Beratungsanrufe an Nottelefone

Die Polizeistatistiken lassen im ersten Pandemiejahr keinen Anstieg der Suizidversuche erkennen. Aufgrund der Zunahme der Beratungsanrufe an Nottelefone wie jenes der Pro Juventute geht das Obsan von einer hohen Dunkelziffer aus. Genaueres lässt sich erst nach Vorliegen der Suizidzahlen 2020 sagen.

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Ein Mann sitzt vor einem Fenster. Nach einer Corona-Infektion erleiden Patienten häufiger neurologische oder psychische Erkrankungen. - dpa-infocom GmbH

Die Hauptdiagnosen für einen Eintritt in eine Klinik waren über die Gesamtbevölkerung gesehen affektive Störungen mit 32,8 Prozent, Substanzmissbrauch mit 20 Prozent (vor allem Alkohol mit 13,3 Prozent) und Schizophrenie oder wahnhafte Störungen mit 16,6 Prozent.

Die Störungen waren geschlechtsspezifisch ausgeprägt: 37,7 Prozent der Frauen litten unter Depressionen. Bei den Männern waren mit 27,7 Prozent der Substanzmissbrauch - besonders von Alkohol - und affektive Störungen mit ebenfalls 27,7 Prozent am häufigsten.

520'000 Patienten wurden in Praxis behandelt

Insgesamt mussten 2020 gut 57'000 Personen in eine psychiatrische Klinik. Pro 1000 Einwohnerinnen und Einwohnern ergibt das eine Hospitalisierungsrate von 6,6 Personen. 7,5 waren es bei den Erwachsenen, 2,8 bei den Kindern und Jugendlichen unter 19 Jahren. Dabei stieg die Rate bei den Jüngeren um 6 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Insgesamt wurden im Berichtsjahr rund 520'000 Patientinnen und Patienten in einer psychiatrisch-psychologischen Praxis behandelt. Das entspricht 59 von 1000 Versicherten. Nach Alter betrachtet waren 32 von 1000 Heranwachsenden unter 19 Jahren in Behandlung sowie 66 von 1000 Erwachsenen.

Psychische Störungen bei Frauen haben in der Pandemie deutlich mehr zugenommen als bei Männern. Foto: Fabian Sommer/dpa
Psychische Störungen bei Frauen haben in der Pandemie deutlich mehr zugenommen als bei Männern. Foto: Fabian Sommer/dpa - dpa-infocom GmbH

Das waren zwar weniger als 2019. Von 2012 bis 2019/20 stieg die Rate der Behandelten indessen um 26 Prozent. Bei unter 19-Jährigen betrug der Anstieg 40 Prozent, bei den Erwachsenen 25 Prozent.

Die Kosten der obligatorischen Krankenversicherung im Psychiatriebereich beliefen sich 2020 auf rund 2,2 Milliarden Franken. Das entspricht 6,4 Prozent der Kosten der Grundversicherung von 34,1 Milliarden Franken. Seit 2006 ist dieser Anteil relativ stabil.

Gesamtbevölkerung im Allgemeinen zufrieden

Im Allgemeinen war die Gesamtbevölkerung 2020 durchaus glücklich und zufrieden. 77,4 Prozent fühlten sich in der entsprechenden Datenerhebung von Januar bis Juni 2020 wie in den Vorjahren meistens glücklich. Um Auswirkungen der Pandemie zu messen, greifen diese Daten allerdings zu kurz, wie das Obsan schrieb.

Studien lassen aber darauf schliessen, dass die Pandemie soziale und gesundheitliche Ungleichheiten verschärfte. So wurde bei bereits davon betroffenen Personen mit niedrigerem Einkommen und schlechterer Ausbildung eine Verschlechterung des psychischen Wohlbefindens beobachtet. Auch Personen mit Vorerkrankungen fühlten sich schlechter.

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