Die Coronavirus-Welle flutet die Schweiz wohl schlimmer als angenommen. Asiatische Länder zeigen, was gegen das Virus hilft – und was nicht reicht.
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Das Coronavirus geht um die Welt, wohl schneller als gedacht. - Pixabay
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Dunkelziffer der Corona-Ansteckungen ist viel höher als die offiziellen Zahlen.
  • Das bedeutet, dass neue Massnahmen dem Virus hinterher hinken.
  • Länder wie China oder Taiwan haben aus der Sars-Epidemie gelernt und zeigen, was wirkt.

Die Zahl der Coronfälle dürfte laut Berechnungen des Stanford-Forschers Tomas Pueyo um ein Vielfaches höher sein als bisher angenommen. Grund ist die zeitliche Verzögerung zwischen tatsächlicher Ansteckung und dem offiziellen Erkennen. Gemäss der Analyse dürften derzeit in der Schweiz bereits mindestens 5600 infiziert sein – offiziell gemeldet sind 1009.

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Grau, die Anzahl neuer Fälle in der Realität und orange, die Anzahl offiziell bestätigter Fälle. - Tomas Pueyo/Worldometer

Angesichts dieser Analyse fragt sich, ob die derzeitigen Massnahmen genügen, um dem sich exponentiell verbreitenden Virus Herr zu werden. Pueyo sagt: Wir müssten längst drastischer handeln. Und erklärt am Beispiel China, warum.

Wie China auf das Coronavirus reagierte

China ergriff bereits wenige Tage nach dem Auftreten der Coronafälle in der Region Wuhan drastische Massnahmen. Die Stadt wurde komplett abgeriegelt als 400 neue Fälle pro Tag auftauchten. Mit dem Resultat, dass die Fallzahlen nicht mehr exponentiell stiegen. In anderen Regionen Chinas erreichten die Ansteckungen indes nie ein exponentielles Wachstum. Mittlerweile hat sich die Kurve Chinas stark abgeflacht und die Corona-Fälle sinken bereits wieder.

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Die Fallzahlen in den Regionen Chinas flachten im Februar deutlich ab. - Tomas Pueyo

Die Grafik zeigt aber auch, dass Südkorea, Iran oder Italien die Unterbrechung der Verbreitung nicht gelang. Im Gegenteil: Die Kurve schnellt hier weiterhin exponentiell und praktisch ungebremst nach oben. Derweil verlaufen die Ansteckungen in Taiwan, Singapur, Thailand oder Japan ähnlich langsam wie in China.

Alle diese Länder, hatten 2003 bereits die Sars-Epidemie zu bekämpfen. Und sie haben daraus offenbar ihre Lehren gezogen. Diese Länder wussten, wie schnell sich ein solches Virus verbreiten kann. Durch schnelle Massnahmen dämmten sie die Verbreitung wirkungsvoll ein.

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In Hongkong, Singapur, Japan verbreitet sich das Virus deutlich weniger schnell (Kurven wären noch steiler, wäre Y-Achse nicht gestaucht!). - Twitter/Financial Times

Auch Taiwan ist unter diesen Ländern und verzeichnete bisher lediglich 50 Corona-Fälle und einen Todesfall. Taiwan hatte nach den Sars-Erfahrungen 2003 einen Reaktionsmechanismus im Bereich öffentliche Gesundheit eingerichtet, der nun frühzeitige und schnelle Massnahmen ermöglichte. Das half der Regierung, rasch schwierige Entscheidungen unter Zeitdruck zu treffen. (alle Massnahmen)

Massnahmen senken die Ansteckungsrate deutlich

Die Analyse zeigt: In Ländern, die vorbereitet sind, stirbt jeder 200. bis jeder 100. Coronainfizierte. Länder, die hingegen überrascht werden, tragen eine Sterblichkeit von 3-5 Prozent: Jeder 20. stirbt. Das bedeutet: Länder, die schnell handeln, können die Zahl der Todesfälle um den Faktor zehn reduzieren. Dasselbe gilt für die Zahl der Ansteckungen.

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Anzahl täglich neuer Fälle ohne Distanzhalten (schwarz), mit Distanzhalten (grün) oder Distanzhalten mit einem Tag Verzögerung (rot)
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Anzahl Corona-Fälle ohne Distanzhalten (schwarz), mit Distanzhalten (grün) oder Distanzhalten mit einem Tag Verzögerung (rot). Ein Tag Verzögerung bedeutet in der Summe 40 Prozent mehr Fälle.

Klar ist: Nur eine Eindämmung und Verlangsamung der Verbreitung kann verhindern, dass die Spitäler alle Erkrankten behandeln kann. Jeder fünfte Infizierte muss ins Spital, fünf Prozent auf der Intensivstation. Was ein überfordertes Spital bedeutet, hat ein italienischer Arzt auf Facebook eindrücklich beschrieben.

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Auszug aus den Beschreibungen des italienischen Arztes auf Facebook. - Facebook

Wissenschaftler Pueyo fordert deshalb, dass ab sofort so viele Menschen wie möglich zu Hause bleiben. Eine Sperrung aller betroffenen Gebiete lasse sich nicht vermeiden. Schulen, Unis, Museen, Schwimmbäder, Veranstaltungen, Bars und Clubs schliessen, Öffnungszeiten von Restaurants beschränken.

Wichtig sei, dass die Politik schnell reagiere. Die Schweiz hat indes die Massnahmen verschärft. Italiener, die einreisen wollen, kommen nicht mehr rein. Kinder gehen nicht mehr in die Schulhäuser. Mehr als 50 Personen in Bars, Restaurants und Discos sind nicht mehr erlaubt. Und Schweizer desinfizieren sich die Hände.

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