Deutscher Abenteurer schwimmt in der Aare bis zum Rhein
Ob er das ernst meint, bekommt der deutsche Abenteurer Thomas Bauer oft zu hören. Begleitet vom BärnerBär schwimmt er vom Aaregletscher bis zum Rhein.

Der BärnerBär stürzt sich also ebenfalls in die Fluten und begleitet Thomas Bauer auf seiner Reise in der Aare:
«Das Wasser ist wie ein Faustschlag, als ich in den Oberaarsee springe. Auf 2300 Metern Höhe, direkt beim Aaregletscher, beträgt die Wassertemperatur vier Grad Celsius. Nach knapp 10 Minuten verlasse ich den Stausee bibbernd. Umgeben von schroffen Bergspitzen schiesst der Fluss von hier an talwärts.
Er ermöglicht den Bau spektakulärer Wasserkraftwerke und schafft bei Meiringen eine der beeindruckendsten Schluchten Europas. Erst danach kommt er im Brienzersee und im Thunersee vorerst zur Ruhe.
Diese beiden Seen der Länge nach zu durchschwimmen, jeweils 20 Kilometer weit, gehört zu den schwierigsten Unterfangen meiner Tour: Mein Ganzkörper-Neoprenanzug hilft zwar gegen das 17 Grad kalte Wasser, saugt sich aber voll und bremst meine Bewegungen.
Vor allem die Armzüge werden zur Belastungsprobe. Ausserdem ziehe ich einen knallroten Seesack mit meinen Wertsachen und Wechselklamotten hinter mir her.

Für die Etappe vom Aareeingang ins benachbarte Brienz benötige ich eine geschlagene Stunde – ich bin folglich mit weniger als drei Stundenkilometern unterwegs! Für einen ehemaligen Leistungsschwimmer ist das schwer zu ertragen.
Gefahr durch Hochwasser
Persönlich
Thomas Bauer wurde 1976 in Stuttgart geboren und lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Tutzing am Starnberger See nahe München. Dort arbeitet er als Marketing Manager beim Goethe-Institut. Schon mit sechs Jahren trat er einem Schwimmverein bei, bis 16 war er Leistungsschwimmer und bestritt Wettkämpfe in ganz Europa. Abenteuerreisen führten ihn in die entlegensten Weltgegenden. Vor allem Flüsse haben es ihm angetan: Er folgte dem Mekong in einer Fahrradrikscha, dem Mississippi in einem Velomobil, der Donau per Kajak und der Garonne per Kanu.
Zwischen Thun und Bern dann das genaue Gegenteil: Ein Hochwasser sorgt dafür, dass die Aare mit bis zu 14 Stundenkilometern fliesst; sie hat Äste und ganze Baumstümpfe im Schlepptau.
Ihre Kraft lässt sich mit der Bewegungsenergie zweier fahrender Güterzüge vergleichen. Wenn der Fluss auf ein Hindernis trifft, stossen die Wassermassen mit einer Kraft von 1000 Kilogramm darauf.
Nachdem ich mehrere Rettungsschwimmer konsultiert habe, beschliesse ich, für diesen Abschnitt das Kanu zu nehmen. Eine gute Entscheidung: Die Aare faucht um mich herum, wirft mir Wolken aus Gischt entgegen, in die ich lustvoll hineinrausche – und das nach meinem Schneckentempo in den beiden Seen! Es kommt mir vor, als habe ich von einem Tretroller auf ein Motorrad gewechselt.
Jedes Jahr ertrinken in der Schweiz etwa 50 Menschen. Die meisten Todesfälle ereignen sich beim Schwimmen in Seen und Flüssen. Kinder und Männer sind besonders häufig betroffen.
Selbst gute Schwimmer unterschätzen oftmals die Gefahren – vor allem Strömungen und Strudel, Hindernisse unter Wasser und den «Kälteschock»: Nach dem Sonnenbad ins kalte Wasser zu springen, belastet den Körper, begünstigt Krämpfe und Herzinfarkte.
In der Schweiz sorgen die rund 23 '000 Mitglieder der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft (SLRG) für Sicherheit am Wasser. Sie bringen Kindern und Jugendlichen das (Rettungs-)Schwimmen bei, weisen auf Baderegeln hin, retten verunglückte Wassersportler und helfen bei Naturereignissen wie Hochwasser.
Im deutschen Pendant, der «Wasserwacht», wurde ich zum Rettungsschwimmer und anschliessend zum «Wasserretter» ausgebildet und erwarb Fähigkeiten, die mir auf der Aare entscheidend helfen.
Von der Aare träumen
Denn kurz vor Bern geht es endlich zur Sache: Die Aare schiebt mich mit zwölf Stundenkilometern, der dreifachen Geschwindigkeit eines Fussgängers, an den aufragenden Gebäuden der Innenstadt vorbei.
Was mir so gut gefällt, dass ich spontan aussteige, zur Freude der Touristen durch das Stadtzentrum zurückgehe und die Strecke gleich nochmals zurücklege, ehe ich weiterschwimme zum Wohlensee.
Es ist der schönste Tag meines Schwumms!

Info
Abenteurer Thomas Bauer hat 14 Bücher über seine ungewöhnlichen Touren veröffentlicht. Im September 2025 erscheint sein Best of «Abenteuer Europa» im MANA-Verlag, Berlin.
Weitere Infos:
Der Blick eines Schwimmers ändert sich: Ständig suche ich das Ufer nach möglichen Ausstiegsstellen ab. Ich schwimme nahe der Flussmitte, wo es weniger Untiefen und tiefhängende Äste gibt, und versuche, Strömungsänderungen frühzeitig auszumachen, um darauf reagieren zu können, ehe mich der Fluss in eine Gefahr hineinschiebt.
Wenn ich nach einer Schwimmeinheit von zweieinhalb Stunden an Land gehe, torkele ich, nachts schaukeln mich Wellen, die Aare fliesst durch meine Träume.
Besser, man lässt sich mitreissen
Am Bielersee streckt sich die Landschaft aus, die milde Luft begünstigt Streuobstwiesen. Solothurn entpuppt sich als angenehme Überraschung.
Für einen Schwimmer können Städte schwierig sein mit ihrem Schiffsverkehr und den befestigten Ufern, die die Wellen zurückschicken.
Doch der Kantonshauptort besticht mit langgezogenen Häuserfassaden, einer schmucken Innenstadt – und nach vier Brücken bin ich auch schon hindurchgeschwommen.
Ich lerne endgültig, dem Fluss zu vertrauen. Sich gegen einen Fluss zu stellen, ist umso sinnloser, je kraftvoller er ist: Besser, man lässt sich mitreissen und nimmt in Kauf, dass er es ist, der entscheidet, wo und wie schnell es vorangeht.
Es kam vor, dass ich unterwegs die Augen schloss – vom Wasser aus sieht man ohnehin nicht sonderlich viel – und mich stattdessen auf die Geräusche konzentrierte: auf das Zischen von Ästen, auf die das Wasser trifft, das Sirren von Angelschnüren, wenn sie ausgeworfen werden, und das Rattern eines Schiffsmotors hinter einer Biegung.
Über die Grenze schwimmen
In Wangen sitze ich abends mit Blick auf die alte Brücke in einem Biergarten direkt am Ufer, sehe, wie die Aare mit dem Mondlicht spielt und merke, dass ich Gefahr laufe, mich in sie zu verlieben. Ihr Wasser, das nie stillsteht, trägt letztlich ein Versprechen mit sich: dass auch ich jederzeit woandershin kann.
Auf jeder Reise gibt es ihn: den Moment, der gewissermassen alles in sich trägt, und den zu erleben man Regengüsse, Insektenstiche und das Umgehen von Wehranlagen auf sich nimmt.
In meinem Fall ist es soweit, als ich mich an meinem letzten Reisetag nochmals in voller Montur in den Fluss begebe und die Schweiz hinter ihrem letzten Bauwerk (mit dem originellen Namen «Aarebrücke») verlasse.
Was ich dabei nicht bedacht habe, ist erstens, dass ich dadurch am Zoll vorbei schwimmend in die EU einreise – das fällt mir erst unter besagter Aarebrücke ein – und dass sich die bereits für sich genommen recht zügigen Strömungen der Aare und des Rheins an dieser Stelle vereinigen.

Ich schaffe es gerade so, das deutsche Festland zu erreichen. Ein warnender Abschiedsgruss zum Schluss also.
Trotzdem habe ich letztendlich alle Herausforderungen schwimmend gemeistert und die Schweiz vom Aaregletscher bis zum Rhein neu und intensiv kennengelernt: Sie ist fordernder, aber auch vielseitiger, als ich dachte.»