Sommer an der Aare: Eine Sängerin auf Tauchgang
Sie ist der einzige Singvogel, der nicht nur gut schwimmen, sondern auch geschickt tauchen kann. Sie ist somit eng mit dem Element Wasser verbunden.

Die Wasseramsel (Cinclus cinclus) gehört zur Ordnung der Sperlingsvögel und ist somit keine Amsel, sondern steht eher der Familie des Zaunkönigs nahe. Der etwa starengrosse, rundliche Singvogel mit kurzem Schwanz wartet mit unverwechselbarem Aussehen auf.
Kopf und Nacken sind zeichnungslos mittelbraun, die übrige Oberseite schiefergrau. Die reinweisse Brust sowie Kehle und Hals machen sie unverkennbar, wie auch ihre zu beobachtenden charakteristischen Bewegungen.
Ihr rascher und geradliniger Flug dicht über der Wasseroberfläche, ihr plötzliches Abtauchen ins Wasser und ihr auffälliges Knicksen, wenn sie auf einem Stein steht, zählen zu den aussergewöhnlichen Eigenschaften der Sängerin.
Perfekt angepasst
Sie lebt an schnell fliessenden, klaren und sauerstoffreichen Bächen und Flüssen mit kiesigen Bachbetten und Uferbereichen mit Versteckmöglichkeiten und ist perfekt ans Wasser angepasst. Ihre Nahrung erjagt sie sich über und unter Wasser und besteht aus Wasserinsekten, Spinnen, Amphibienlarven, Wasserschnecken und kleinen Fischen.

Die Aare, als landschaftliche und ökologische Lebensader Berns, ist gut auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten. So lässt sich der tagaktive, doch eher seltene Vogel an der Aareschlaufe um die Berner Altstadt sowie in anderen Abschnitten entlang der Aare beobachten.
Schweizweit wird der Bestand zurzeit auf wenige tausend Paare geschätzt; zwischen Thun und Muri leben lediglich ca. vierzig ihrer Art.
Bestand war massiv bedroht
Ende der 1950er Jahre wurde die Luft für die kleine Sängerin dünn – der Bestand massiv bedroht.
Die intensivierte Landwirtschaft mit entsprechender Kontamination der Gewässer, Einleitung synthetischer Tenside in Wasch- und Reinigungsmitteln, Einleiten weiterer Schadstoffe in die Brutgewässer, verbaute Uferbereiche sowie Flussverbauung- und Begradigung bedrohten den Lebensraum der Wasseramsel.
In den 60er Jahren wurde der Bau von Klärwerken vorangetrieben und die Gewässer wurden zunehmend sauberer.
Dank Renaturierungs- und Schutzprojekten rund um die Aare finden sich nun geeignete Reviere auf gutem Niveau für den Singvogel und seine Nachkommen. Der Bestand in der Schweiz ist laut «Roter Liste» nicht mehr als gefährdet eingestuft.
Königsdisziplin Tauchen
Die herausstechende Fähigkeit des «Unterwasserjagens» – Königsdisziplin Tauchen – ist bestimmter physiologischer Merkmale geschuldet. Anders, als bei anderen Singvögeln, hat die Wasseramsel schwere, markgefüllte Knochen und erhöht somit ihr spezifisches Gewicht.
Die kurzen gerundeten Flügel ermöglichen ihr die Fortbewegung unter Wasser und dienen als Ruder. Die feste und grosse Federdichte ihres Gefieders dient als Isolator und wird durch die Bürzeldrüse, die 6 bis 10 mal grösser als bei anderen Singvögeln ist, mit dessen öligem Sekret imprägniert.
Eine besonders kräftig entwickelte Augenmuskulatur lässt sie unter Wasser sehr gut sehen und das Auge wird durch eine halbtransparente Nickhaut geschützt. Ihre Ohröffnungen werden durch eine Hautfalte verdeckt und die Nasenöffnungen am Schnabelansatz können während des Tauchganges durch Häute verschlossen werden.

Trotz perfektem «Equipment» reicht dieses nicht für den mühelosen Tauchgang, sondern bedarf einer formvollendeten Technik.
Die Wasseramsel nutzt die Strömung und stemmt sich unter Wasser mit ihren markgefüllten und kräftigen Krallen versehenen Beinen gegen sie. Kopf, Rücken, Schwanz und Flügel werden in Stellung gebracht, so dass sie auf dem Bachgrund gegen die Strömung laufen kann um ihre Nahrung aufzupicken.
Ihre Tauchtiefe beträgt bis zu 1.5 Meter und die Tauchstrecke bis zu 20 Meter, wobei sie bis zu 30 Sekunden unter Wasser bleiben kann – bleibt also genug Zeit mit dem Schnabel Steinchen umzudrehen und mit dem ein oder anderen Leckerbissen aufzutauchen. Sollten diese nicht selbst «verschnabuliert» werden, so werden sie eifrig an die Jungvögel verfüttert.
Kugelnester
Die Wasseramsel brütet gerne zweimal im Jahr ihre 3 bis 6 Eier aus und die Nestlingszeit beträgt 20 bis 24 Tage. Die Jungvögel können bereits vor der Flugfähigkeit schwimmen.Ihre Nester baut sie in unmittelbarer Wassernähe in Nischen, Fels- oder Mauerspalten, zwischen Baumwurzeln oder unter Brücken.
Diese kunstvollen Kugeln werden mit Gras, Moos und Blättern ausgelegt, mehrere Jahre genutzt und der Bau der Kinderstube ist ausschliesslich Frauensache – die Fütterung des stets hungrigen Nachwuchses übernehmen dann jedoch beide Elternteile.
Ihre gesangaktivste Zeit ist im Dezember, Januar und Februar, wenn die Natur stiller wird – dann ist sie «on stage» und verzaubert mit ihrem unbekümmerten und munter geträllerten Lied nicht nur den anzulockenden Brutpartner.
Das unaufhaltsame, bedeutungsvolle Zwitschern, Schnurren und Pfeifen dieses faszinierenden Ökosystem-Players begeistert und bedarf auch weiterhin des Schutzes durch den Menschen.