Ein Unternehmen aus Schlieren ZH mischt ganz vorne in der Medikamentenforschung zum Coronavirus mit. Nun hat bereits der Bund vorbestellt – was steckt dahinter?
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Martin Walser im Labor von Molecular Partners. Der Bund hat beim Zürcher Unternehmen über 3 Millionen Dosen des Wirkstoffs gegen das Coronavirus vorbestellt. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Bund hat 3 Millionen Dosen eines möglichen Wirkstoffs gegen das Coronavirus bestellt.
  • Entwickler ist das Zürcher Unternehmen «Molecular Partners».
  • Es will einen Wirkstoff herstellen, welcher ähnlich einer Antikörper-Therapie wirken soll.

Der Bund investiert weiter in vielversprechende Projekte im Kampf gegen das Coronavirus. Vor kurzem sicherte sich der Bund 4,5 Millionen Dosen des mRNA-Impfstoffs von Moderna, welcher in wenigen Monaten marktreife erreichen soll.

Nun hat der Bund erneut eingekauft: Beim Zürcher Unternehmen «Molecular Partners» wurden 3 Millionen Dosen eines Medikaments gegen das Coronavirus bestellt, welches sich in Entwicklung befindet.

Noch kein gutes antivirales Medikament gegen das Coronavirus

Noch immer ist kein Medikament auf dem Markt, dass effektiv gegen das Coronavirus wirkt: Einige verheissungsvolle Wirkstoffe, wie beispielsweise Hydroxychloroquin oder Kaletra, erwiesen sich bald als nicht wirksam. Remdesivir zeigt zwar gewisse Behandlungserfolge, ist jedoch teuer und konnte in Studien die Todesrate von Patienten nicht signifikant senken.

Daher müssen sich Ärzte nach wie vor auf die Behandlung der Symptome von Covid-19 beschränken. Zahlreiche antiviral wirkende Medikamente befinden sich allerdings in der Pipeline. Die Frage ist, welches nun zuerst verfügbar ist und wie gut es wirkt.

«Molecular Partners» mit eigenem Ansatz

Das im Zürcher Vorort Schlieren ansässige Unternehmen Molecular Partners verfolgt einen eigenen Ansatz: Das 2004 als Universitäts-Spinoff entstandene Unternehmen hat sich den «DARPins» verschrieben. Damit werden künstlich optimierte Proteine bezeichnet, welche verschiedene Funktionen übernehmen können.

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Marcel Walser, Teamleiter des Projekts zum Wirkstoff gegen das Coronavirus, züchtet im Labor von Molecular Partners eine Bakterienkultur. - Keystone

Einzelne DARPins funktionieren prinzipiell wie Antikörper, erklärt Thomas Schneckenburger, Sprecher von «Molecular Partners»: «Die Idee ist, dass sie direkt an verschiedene Stellen des Virus andocken. Dort verhindern sie dann, dass das Virus an den menschlichen Rezeptoren binden kann.»

Damit ähnelt die Behandlung mit «MP0420», wie das Medikament derzeit intern genannt wird, einer Antikörper-Behandlung. Doch mit den DARPins könne man einen Schritt weiter gehen, erklärt Schneckenburger: «In DARPin-Therapeutika können, anders als bei klassischen Antikörpern, mehrere einzelne DARPin-Moleküle mit verschiedenen Funktionen aneinander gehängt und kombiniert werden.»

Rückstand einholbar?

Ausserdem sei die Produktion von DARPins einfacher als bei Antikörpern: Während Antikörper in Säugetier-Zellen hergestellt werden müssen, genügen für DARPins Bakterien. «Wir schätzen, in derselben Zeit rund zehnmal soviel DARPin-Wirkstoff produzieren zu können, wie dies mit Antikörpern möglich ist», so Schneckenburger.

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Eine Mitarbeiterin von Molecular Partners bei der Anzucht einer Bakterienkultur: Die Herstellung des Wirkstoffs mittels Bakterien ist deutlich einfacher als bei klassischen Antikörpern. - Keystone

Das ist auch nötig: Andere Antikörper-Wirkstoffe befinden sich bereits in Phase II der klinischen Studie befinden. Bei «Molecular Partners» soll die Phase I der Studie erst im vierten Quartal 2020 beginnen. Man habe jedoch schon Partner für die Produktion gefunden und Verträge abgeschlosen. «Wir wollen im nächsten Sommer den ersten Menschen den Wirkstoff als Produkt verabreichen.»

Wirksamkeit noch nicht absehbar, aber vielversprechend

Entsprechend der frühen Versuchsphase ist derzeit noch nicht absehbar, ob der Wirkstoff schlussendlich in der Behandlung anschlägt.

Der Ansatz ist allerdings vielversprechend: Antikörper sind das Körper-eigene Abwehrmittel gegen ein Virus. Die Antikörper-Produktion setzt jedoch erst mit der Erkrankung respektive mit der Verabreichung eines Impfstoffs ein. Mit Antikörper- oder DARPin-Therapeutika lässt sich für die Dauer der Therapie eine künstliche Immunität erzeugen.

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Seit 2004 forscht das Spinoff der Universität Zürich an DARPin-Wirkstoffen. - Keystone

Diese Therapie könnte auch prophylaktisch bei besonders exponierten Personen oder Personen aus der Risikogruppe eingesetzt werden. Auch bei einer vermuteten Ansteckung mit dem Coronavirus liesse sich ein Ausbruch unter Umständen vermeiden, so Schneckenburger: «Wer beispielsweise mit einer infizierten Person Kontakt war und durch das Tracing-System identifiziert und gewarnt wurde, könnte unser Therpeutikum prophylaktisch erhalten.»

Ehe der Bund sein erworbenes Anrecht auf 200'000 Wirkstoff-Dosen mit Option auf 3 Millionen weitere Dosen einlösen kann, muss noch einiges passieren. Doch für «Molecular Partners» ist es ein Glücksfall: «Mit dem finanziellen Vorschuss des Bundes werden wir die ersten Studien mitfinanzieren.»

Nun braucht es in Phase I der klinischen Studie Erfolge. Dann dürfte ein Pharma-Unternehmen für die Finanzierung der aufwändigeren Folgestudien schnell gefunden sein. Im Rahmen dieser Studien könnten bereits nächsten Sommer die ersten Schweizer Patienten mit dem Zürcher Medikament behandelt werden.

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