Russische Wissenschaftler wollen den ersten Impfstoff gegen das Coronavirus in Kürze auf den Markt bringen. Tatsächlich sind andere Projekte bereits weiter.
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Ein Laborant von Sinopharm arbeitet am Impfstoff. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Das russische Projekt ist dem Rest der Welt nicht voraus – im Gegenteil.
  • Weltweit wird an Impfstoffen geforscht: Einige Projekte schon sehr weit.
  • In drei Projekten wurde bereits die finale Phase III vor der Marktzulassung erreicht.

Russland lässt seine Muskeln spielen: Forscher aus Moskau haben angeblich den ersten Impfstoff entwickelt. Kirill Dmitriev, Leiter des russischen Staatsfonds, lobte das Projekt in höchsten Tönen: «Es ist ein Sputnik-Moment.»

1957 startete der sowjetische Satellit «Sputnik» als erstes menschgemachtes Objekt in die Erdumlaufbahn. Der «Sputnikschock» führte dem Westen die damalige Überlegenheit der Sowjetunion in der Weltraumforschung vor Augen.

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1957 schockierte die Sowjetunion den Rest der Welt mit dem Start des ersten Satelliten. Jetzt sprechen Wladimir Putins Staatsangestellte von einem «Sputnik-Moment». - Keystone

Doch ist der Fortschritt der russischen Impfstoff-Forschung tatsächlich ein zweiter «Sputnik»? Ein Blick auf die aktuellen Forschungsprojekte zeigt: Mindestens drei Projekte sind bereits weiter als Russlands «neuer Impfstoff».

Jeder medizinische Wirkstoff muss vor der Zulassung drei Phasen der «klinischen Studie» durchlaufen. Der Impfstoff aus Russland hat Phase II abgeschlossen. Der Wirksamkeitsnachweis ist damit jedoch noch nicht gebracht: Dies geschieht erst in Phase III – erst danach beginnt das Zulassungsverfahren.

Drei Projekte haben Phase III bereits erreicht.

Britische Oxford-Forscher sind ganz vorne mit dabei

Forscher der renommierten Universität von Oxford haben schon früh erste Erfolge verzeichnet. Für die gross angelegten Studien haben die Wissenschaftler mit dem britisch-schwedischen Pharmakonzern AstraZeneca zusammengespannt. In Phase II wurde der Impfstoff bereits 1077 gesunden Probanden gegeben.

Im Gegensatz zu den russischen Forschern haben die Briten zum Wirkstoff «AZD1222» bereits Ergebnisse in der Fachzeitschrift «The Lancet» veröffentlicht: Die Wirksamkeit wurde in Phase II bereits bestätigt. Ehe der Wirkstoff möglicherweise Milliarden Menschen auf der ganzen Welt verabreicht wird, müssen allerdings sämtliche Bedenken ausgeräumt sein. Hierfür sind Phase-III-Studien bereits in Grossbritannien, Brasilien und Südamerika angelaufen.

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Wie weit sind die Impfstoff-Projekte? Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron informiert sich bei AstraZeneca-Konkurrent Sanofi Pasteur. - Keystone

Der britische Impfstoff nutzt einen ähnlichen Mechanismus wie der russische: Einem harmlos gemachten Erkältungsvirus werden genetische Bausteine des Coronavirus eingepflanzt. Damit wird eine Immunreaktion im Körper ausgelöst: Es bilden sich die für den Schutz benötigten Antikörper, ohne dass das Virus Schaden anrichtet.

Cambridge-Forschung mit Schweizer Beteiligung

Beim im US-amerikanischen Cambridge ansässigen Unternehmen Moderna hat gerade vorgestern Phase III der klinischen Studie zum Wirkstoff «mRNA-1273» begonnen. In Phase I und II wurde der Impfstoff bereits mindestens 600 Probanden verabreicht. Auch wenn die finalen Ergebnisse von Phase II noch ausstehen, zeigen sich bereits vielversprechende Tendenzen. In Phase III soll der Impfstoff nun an 30'000 US-Amerikanern getestet werden, um die Wirksamkeit zu bestätigen.

Das erst 2010 gegründete Pharmaunternehmen verfolgt einen neuartigen Ansatz: mRNA ist in den Körperzellen für die Produktion von Proteinen verantwortlich: Sie überträgt die in unserer DNA abgelegte Information als «Bauplan» für Proteine, welche dann alle möglichen Aufgaben im Körper übernehmen. Die aufwändige Produktion übernimmt das Schweizer Pharmaunternehmen Lonza in seinem US-Standort.

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Ein Proband erhält während der Phase-I-Studie im März den experimentellen Impfstoff von Moderna gegen das Coronavirus. - Keystone

Die mit dem Impfstoff in die Zellen eingebrachte mRNA sorgt dafür, dass die körpereigenen Zellen Spike-Proteine herstellen. Diese ähneln den «Stacheln» des Coronavirus. Das Abwehrsystem identifiziert diese Proteine als körperfremd und beginnt mit der Antikörperproduktion. Diese wirken dann auch gegen das echte Coronavirus.

Chinesisches Unternehmen vorne bei Impfstoff gegen Coronavirus dabei

Immer wieder hörte man vom Viruslabor in Wuhan. Dass das neue Coronavirus von dort stammt, wird derzeit hauptsächlich von Verschwörungstheoretikern vermutet. Dafür sind die Virenforscher aus Wuhan gemeinsam mit Pharmaunternehmen Sinopharm nun an vorderster Front in der Impfstoff-Forschung.

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Eine Mitarbeiterin von Sinopharm präsentiert im April eine Probe eines Corona-Impfstoffs. - Keystone

Wie «CGTN» berichtete, begann Sinopharm am 23. Juli mit einer reinen Phase-III-Studie – der ersten weltweit. Nachdem Phase II in China vielversprechend lief, wird Phase III nun in den Vereinigten Arabischen Emiraten durchgeführt.

Die Forscher aus Wuhan verfolgen einen dritten Ansatz: Sie verwenden eine deaktivierte Form des Coronavirus. Echte Coronaviren, welche jedoch unschädlich gemacht wurden, werden in den Körper injiziert. Die inaktivierten Viren können sich nicht mehr vermehren und damit keine Krankheit auslösen, lösen jedoch ebenfalls die Antikörper-Produktion aus.

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