Die WHO spricht von einem «lebensrettenden wissenschaftlichen Durchbruch», die Bundesregierung bleibt zurückhaltend: Eine britische Studie zur Behandlung von schwerstkranken Covid-19-Patienten mit dem Wirkstoff Dexamethason hat am Mittwoch unterschiedliche Reaktionen ausgelöst.
Dexamethason-Packung
Dexamethason-Packung - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • WHO spricht von «lebensrettendem wissenschaftlichen Durchbruch».

Trotz der nach Angaben der Forscher positiven Ergebnisse der Studie sieht das Bundesgesundheitsministerium im Moment keinen Grund, sich mit dem entzündungshemmenden Steroid-Medikament zu bevorraten.

Zunächst solle die Studie erst einmal geprüft werde, sagte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums in Berlin. «Es gibt im Moment keinen Grund, sich in irgendeiner Weise zu bevorraten.» Der Sprecher verwies darauf, dass die Studie derzeit «noch nicht einmal veröffentlicht ist». Deshalb wolle er diese auch nicht kommentieren.

WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus hatte die britische Studie dagegen mit euphorischen Worten begrüsst. «Dies ist die erste Behandlung, die die Todesrate bei an Beatmungsmaschinen angeschlossenen oder mit Sauerstoff versorgten Covid-19-Patienten nachgewiesenermassen senkt», erklärte er. «Das sind grossartige Neuigkeiten.»

Tedros gratulierte der britischen Regierung und allen an der Studie beteiligten Forschern. Zugleich dankte der WHO-Chef «den vielen Krankenhäusern und Patienten in Grossbritannien, die zu diesem lebensrettenden wissenschaftlichen Durchbruch beigetragen haben».

Wissenschaftler unter Leitung eines Teams der Universität Oxford hatten für die von der britischen Regierung mitfinanzierte Studie das weithin verfügbare entzündungshemmende Steroid-Medikament zehn Tage lang mehr als 2000 mit dem Coronavirus infizierten Patienten verabreicht. Demnach reduzierte Dexamethason die Sterblichkeit der von Beatmungsgeräten abhängigen Patienten um 35 Prozent. Bei Kranken, die lediglich Sauerstoff verabreicht bekamen, wurde die Sterblichkeit um ein Fünftel gesenkt.

Bei Patienten mit milderem Krankheitsverlauf zeigte Dexamethason hingegen keinerlei Wirkung. Zur Kontrolle untersuchten die Forscher 4000 weitere Patienten, die nicht mit Dexamethason behandelt wurden. Detaillierte Überprüfungen des klinischen Versuchs wurden bislang allerdings noch nicht veröffentlicht.

Dexamethason ist in einer Vielzahl von entzündungshemmenden Medikamenten enthalten. Es wird zur Behandlung von allergischen Reaktionen, rheumatoider Arthritis und Asthma angewendet. Nach Angaben der britischen Forscher könnten tägliche Dosen jeden achten Tod bei schwerstkranken Covid-Patienten verhindern.

Die Wissenschaftler feierten ihre Entdeckung als «grossen Durchbruch» im Kampf gegen die durch das neuartige Coronavirus ausgelöste Krankheit. Sie hoben hervor, dass Dexamethason leicht verfügbar und preiswert sei. Die britische Regierung setzte das Mittel sofort auf die Liste der Standardverfahren des Nationalen Gesundheitsdienstes NHS gegen Covid-19. Dies bedeutet, dass das entzündungshemmende Steroid nun sofort bei Corona-Patienten eingesetzt werden kann.

In Frankreich wird das Mittel nach Angaben einer Infektiologin schon länger in der Covid-19-Therapie angewandt. Es werde in den Krankenhäusern des Landes «in grossem Umfang genutzt», sagte Karine Lacombe am Mittwoch im Radiosender France Inter.

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