Hat Wladimir Putin einen Krieg mit der Nato begonnen?
Russland setzt immer mehr Nadelstiche gegen den Westen. Hat Wladimir Putin so eine erste Phase eines Kriegs mit der Nato gezündet?

Das Wichtigste in Kürze
- Russland setzt in den vergangenen Wochen immer wieder Nadelstiche gegen Nato-Staaten.
- Ein US-Institut spricht deshalb bereits von einer ersten Phase eines Krieges.
- Russland-Experten schätzen bei Nau.ch ein, was davon zu halten ist.
Im Februar 2022 überfiel Russland die Ukraine, seither vergeht im osteuropäischen Land kaum ein Tag ohne Kampfhandlungen und Todesopfer.
Doch immer mehr zeigt sich: Nicht nur die Ukraine, auch weitere Teile Europas geraten in den Fokus von Wladimir Putin.
In den letzten Wochen häuften sich Luftraumverletzungen der Russen in Nato-Staaten. Drohnen überflogen Länder wie Dänemark, Polen und Deutschland, legten das öffentliche Leben teilweise lahm.
Nun kommt das «Institute for the Study of War» (ISW) aus den USA zum Schluss: Putin hat die sogenannte «Phase Null» eines Kriegs mit der Nato gezündet!
Doch was veranlasst das ISW zu dieser Annahme?
Luftraumverletzungen und Reserve-Armee
Zum einen sind da Warnungen ans Ausland vor Operationen unter falscher Flagge. So suggeriert der russische Auslandsgeheimdienst für die eigene Bevölkerung, dass das Ausland Russland diskreditieren will.
Des Weiteren intensiviert Russland unter Wladimir Putin die Provokationen gegenüber dem Westen. Drohnen, Luftraumverletzungen durch Kampfjets und Sabotageakte gegen Nato-Staaten haben in den letzten Wochen massiv zugenommen.
Zu guter Letzt wurde erst kürzlich bekannt, dass die Russen eine Reserve-Armee auf die Beine stellen wollen. Dies deutet laut dem ISW darauf hin, dass man sich auf einen langen Krieg einstelle.
Doch was ist dran an der These, dass Russland eigentlich schon in einen Krieg mit der Nato eingetreten ist?
Wladimir Putin und Russland setzen Nadelstiche gegen Nato
Russland-Experte Ulrich Schmid sagt dazu: «Im Moment verfügt Russland nicht über die militärischen Ressourcen für einen weiteren Krieg.»
Er erklärt aber auch, dass «sich Russland auf eine langfristige Konfrontation mit dem Westen» vorbereite. Das Land setze unter Wladimir Putin derzeit Nadelstiche.
Für diese gebe es drei Gründe, so Schmid: «Russland testet die Nato aus. Zudem soll die Nato veranlasst werden, mehr in die eigene Verteidigung zu investieren.»
Grund dafür: Wenn die Unterstützer-Länder der Ukraine mit sich selbst beschäftigt sind, leidet die Ukraine-Hilfe. Das wiederum spielt den Russen in die Karten.
Bevölkerung für eigene Kriegsziele gewinnen
Zudem wolle Russland die Nato-Staaten mit seinem Verhalten zu einer Reaktion provozieren. Dies, um «den geistigen Belagerungszustand der russischen Bevölkerung» zu verstärken.

Dies sei kein neues Phänomen, erklärt Osteuropa-Experte Nicolas Hayoz. «Der Kreml hat schon lange vor dem Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen, das Feindbild ‹Westen› zu mobilisieren.»
So wolle man die Bevölkerung für die eigenen Kriegsziele gewinnen. Zudem nutze man dies als Erklärung dafür, weshalb «die sogenannte ‹zweitstärkste Armee der Welt› die Ukraine nicht besiegen» könne.
«Russland stellt eine grosse Gefahr dar»
Auch Nicolas Hayoz will nicht von einer möglichen Eskalation sprechen. «Ich würde eher sagen, dass der Kreml mit Kriegspropaganda, hybrider Kriegsführung und Manövern die ‹Drohkulisse› gegenüber der NATO verstärkt.»
Hayoz erklärt das Ziel Putins: «Die europäischen Länder sollen verunsichert werden.» Zudem könne das Land seiner Bevölkerung so zeigen, dass man gegen den «aggressiven Westen» gewappnet sein müsse.
Der emeritierte Professor für Politikwissenschaft warnt: «Russland stellt eine grosse Gefahr dar.» Gibt gleichzeitig aber auch Entwarnung: «Aber das Regime würde und könnte jetzt und in naher Zukunft auch keinen Krieg starten gegen den Westen.»