In Lateinamerika steigen die Corona-Fallzahlen ungebremst weiter. An die oft strikten Quarantänen halten sich längst nicht alle – weil sie nicht anders können.
Coronavirus - Mexiko
Ein Mann, der in der Innenstadt in Mexiko unterwegs ist, trägt einen Mundschutz.  - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Corona-Infektionszahlen steigen in Lateinamerika weiter ungebremst an.
  • Dies, obwohl viele Regierungen schon früh strikte Massnahmen verhängt hatten.
  • Viele halten sich aber nicht an die Quarantäne – weil sie nicht können.

Das Coronavirus breitet sich weiter rasant in Lateinamerika aus. Brasilien vermeldete auch am Donnerstag wieder fast 60'000 Neuansteckungen. Die Zahl der Infizierten hat sich in der Region innerhalb eines Monats fast verdreifacht.

Mittlerweile liegt sie bei fast vier Millionen. Unter den 14 Ländern mit den höchsten Todeszahlen reihten sich am Sonntag vier aus Lateinamerika ein.

Quarantäne ist keine Option

Trotz monatelanger Quarantäne scheint in vielen Ländern der Höhepunkt der Pandemie also noch nicht überstanden. Ein wichtiger Grund dafür dürfte sein, dass sich viele Menschen gar nicht an die Ausgangssperren halten können.

Coronavirus - Mexiko
Eine Frau verkauft Kräuter an einem Stand vor dem Markt von Sonora in Mexiko-Stadt. Der Markt wurde im Juni wieder geöffnet, obwohl die Zahl der Corona-Fälle in Mexiko weiter zunimmt. - dpa

Denn in Lateinamerika ist mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer im sogenannten «informellen Sektor» angestellt. Sie sind Hausangestellte oder Strassenhändler, die Abends mit dem Verdienst des Tages einkaufen und eine Familie zu ernähren versuchen.

Sich an eine Ausgangssperre zu halten ist für viele darum gar keine Option. Wenn sie zu Hause bleiben, gibt es am Abend nichts zu essen. Die Uno fürchtet sich darum davor, dass in Lateinamerika auf die Coronapandemie unmittelbar die «Hungerpandemie» folgt.

brasilien coronavirus
Die beiden Eltern hatten 47 Kinder mehrheitlich aus den Favelas adoptiert. - Keystone

Ebenfalls ein Problem ist vielerorts die Wohnsituation. In den Armenvierteln der Städte leben viele Menschen auf engem Raum. In Ländern wie Peru, Ecuador oder Mexiko versorgt sich ein Grossteil der Bevölkerung ausserdem täglich auf den gut besuchten Märkten. Denn ein Kühlschrank besitzt unterhalb der Mittelschicht kaum jemand.

Unterschiedliche Ansätze, gleiches Resultat

Trotzdem ist es schwierig, die Situation als Ganzes zu analysieren. Zu unterschiedlich sind die einzelnen Staaten mit der Pandemie umgegangen. Die Präsidenten von Brasilien und Mexiko haben etwa das Virus verharmlost. In Argentinien herrscht gleichzeitig die immer noch am längsten andauernde Quarantäne der Welt.

Coronavirus - Uruguay
Eine Lehrerin unterrichtet in Montevideo eine Schulklasse. Mit 37 Prozent hat Uruguay die aktuell dritthöchste Drittimpfungsrate der Welt. - dpa

Das spärlich besiedelte Uruguay gilt indes als kleines «Corona-Wunder». Trotz langer Grenze zu Brasilien und vielen Tests kommen die Urus nur auf knapp über 1000 Fälle und 34 Tote. Nachbar Paraguay hat ähnlich tiefe Zahlen, dort wird aber auch wenig getestet.

Durchseuchung als Hoffnungsschimmer

Gemeinsam haben die meisten Staaten von Mexiko bis Feuerland neben dem grossen informellen Sektor meist mangelhafte Gesundheitssysteme. Zudem ist ihr Wohlfahrtsstaat kaum entwickelt. Und zwischen Arm und Reich herrscht eine tiefe Kluft.

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Offene Gräber auf dem Friedhof von Vila Formosa in Sao Paulo. - dpa-infocom GmbH

Das Virus unter Kontrolle zu bekommen dürfte unter diesen Umständen schwierig werden. Lateinamerika schielt darum auch nach Schweden, denn die Durchseuchungs-Theorie verspricht immerhin etwas Hoffnung: Auf dem Grossmarkt «La Victoria» in Lima waren im Mai schon 86 Prozent der Verkäufer an Corona erkrankt.

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