Was macht die Pandemie-Bekämpfung in Ostasien so erfolgreich? Asiatische Behörden verwenden das «Backward Tracing» – und können das Coronavirus eindämmen.
Coronavirus rückwärts Contact Tracing
Menschenmassen an der Handelsmesse «CIFTIS» in Peking am 5. September. Trotz Grossevents gibt es kaum noch Fälle. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Unter «Backward Contact Tracing» versteht man das Ermitteln des Ursprungs einer Infektion.
  • Die Frage, wer einen Infizierten angesteckt hat, bleibt hierzulande meist unbeantwortet.
  • Asiatische Behörden gelingt es besser, Superspreader ausfindig zu machen.

Etwas läuft anders in dieser Pandemie, als bei bisherigen: Honkong, Singapur, Bangkok – bei den grossen Epidemien der vergangenen Jahrzehnte waren die Ausbrüche in Südostasien oft besonders schwer.

Auch das neue Coronavirus nahm seinen Anfang in Ostasien, genauer in Wuhan. Schnell breitete sich das Virus in China und Südkorea aus. Doch anders als bei vorherigen Pandemien traf es die Staaten langfristig weniger schwer als den Rest der Welt.

Coronavirus Backward Tracing rückwärts
Ostasien ist dicht besiedelt – doch die Megastädte Asiens gehören nicht zu den Hotspots des Coronavirus. - Keystone

Zweifelsohne hatte Ostasien einen entscheidenden Vorteil: Aufgrund vorheriger Epidemien waren Maskentragen, Notfall-Massnahmen und Quarantäne sicherlich kleinere Hürden als im Rest der Welt. Doch was bisher wenig Beachtung erhalten hat: Auch beim Contact Tracing geht man in Ostasien anders vor – mit Erfolg.

Contact Tracing: Vorwärts, seitwärts, rückwärts

Seit dem Ende der radikalen Lockdown-Massnahmen ist das Contact Tracing eine der wichtigsten Stützen zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus. Dabei ist das Vorgehen in der Schweiz typisch für den Ansatz des ausser-asiatischen Contact Tracings.

Wird eine Infektion registriert, werden gezielt Personen gesucht, welche die infizierte Person angesteckt haben könnte: Menschen im Umfeld, an die die erste Person das Virus weitergegeben haben könnte – in Richtung der Infektionskette also «vorwärts».

Auch Personen, welche sich am Ort der Infektion der ersten Person aufgehalten haben, werden bestenfalls in Quarantäne gesetzt: Hier läuft das Contact Tracing aus Sicht der ersten Person «seitwärts».

Was im Schweizer Contact Tracing weitgehend fehlt, ist das sogenannte «Backward Contact Tracing»: Also die Frage, wer die erste Person infiziert hat – in Richtung der Infektionskette also «rückwärts».

Rückverfolgung endet meist mit der Frage nach dem Ansteckungsort

Obligatorischer Teil jeder Patientenbefragung durch die Contact Tracer ist natürlich die Frage nach dem Ansteckungsort. Hier wäre also der Rückwärts-Schritt. Doch die Frage bleibt oft ungeklärt: Gemäss der Contact-Tracing-Statistik des Kantons Zürich haben 75 Prozent der Infizierten den Ansteckungsort als «unbekannt» angegeben.

Coronavirus Contact Tracing Kantonsarzt
Eine Contact Tracerin an ihrem Arbeitsplatz in Zürich. - Keystone

Die Frage nach dem Ansteckungsort liefert relevante statistische Hinweise. Auch ins Seitwärts-Contact-Tracing dürfte die Frage einfliessen. Die Frage nach dem «wer» ginge jedoch noch einen Schritt weiter als die Frage nach dem «wo». Sie bleibt allerdings in den meisten Fällen unbeantwortet, schreibt der «Tages-Anzeiger».

Ein Superspreader kann tausende Infektionen verursachen

Schon vor der aktuellen Pandemie war wissenschaftlich klar, dass verhältnismässig wenige Personen für besonders viele Infektionen verantwortlich sind. Gut dokumentiert ist der Fall des Superspreaders Liu Jianlun aus der Sars-Pandemie 2003: Er infizierte in 24 Stunden mindestens 13 von 31 Personen auf einem Stockwerk eines Hotels in Hongkong. Schätzungen gehen davon aus, dass aus diesem Fall 4000 Infektionen weltweit resultierten.

Das Aufspüren der Superspreader ist also essenziell – doch anders als in Ostasien wird es nicht aktiv betrieben. Man hofft, mittels Seitwärts- und Vorwärts-Contact-Tracing möglichst flächendeckend Infektionen zu finden. Doch sobald sich im Contact Tracing Lücken bilden, wächst die Gefahr, dass die tatsächlichen Superspreader unentdeckt bleiben.

Coronavirus: Chance verpasst

Der Erfolg des Backwards-Tracings zeigt sich am Beispiel Japan: Das dichtbevölkerte Land mit über 100 Millionen Einwohnern weist nach wie vor weniger Fälle des Coronavirus auf als die Schweiz. Dort habe man sich von Anfang an auf das Auffinden von Superspreading-Ereignissen konzentriert, berichtet «The Atlantean». Damit konnten in Japan die Infektionen auf niedrigem Niveau gehalten werden.

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Japans riesige Metropole Tokio wäre für einen Ausbruch des Coronavirus prädestiniert – doch es gibt deutlich weniger Fälle des Coronavirus als in europäischen Grossstädten. - Keystone

Mit dem rasanten Anstieg der Fallzahlen des Coronavirus dürfte das Backward-Contact-Tracing vorerst nicht zur Diskussion stehen. Dafür sind die Fälle mittlerweile wieder zu weit gestreut – das Rückwärts-Tracing ist mit zu hohem Aufwand verbunden. Wenn jedoch noch wenige Spreading-Cluster auftreten, kann die Strategie äusserst erfolgreich sein.

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