Betreutes Wohnen: So gelingt ein respektvolles Miteinander
Beim betreuten Wohnen treffen verschiedene Lebensstile, Kulturen und Ansichten aufeinander. Das ist nicht immer einfach.

Das Wichtigste in Kürze
- Etwa 40 Prozent der Schweizer Bevölkerung hat einen Migrationshintergrund.
- Beim Zusammenleben sind Rücksichtnahme und Respekt gefordert.
Nach Angaben des Bundesamtes für Statistik hatten im Jahr 2023 40 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer ab 15 Jahren einen Migrationshintergrund.
Einwanderung in die Schweiz ist nichts Neues: Schon in früheren Jahrhunderten suchten Menschen aus ärmeren Regionen ihr Glück in der Schweiz oder flohen vor Verfolgung. Doch erst die Industrialisierung und moderne Transportmittel wie der Zug führten zu grösseren Einwanderungswellen.

Eine frühe grosse Gruppe waren die Italienerinnen und Italiener, die bis heute einen grossen Teil der ausländischen Wohnbevölkerung ausmachen. Auch aus Deutschland, Portugal, Spanien, der Türkei und dem Kosovo siedelten zahlreiche Menschen in die Schweiz über. Sie alle bereicherten das Leben der Einheimischen mit ihren Kulturen und Bräuchen.
Viele frühe Einwanderinnen und Einwanderer zieht es im Alter zurück in ihre Heimat. Sie vermissen sie die vertraute Umgebung, die Sprache und den grösseren Familienkreis. Doch immer mehr bleiben in der Schweiz, die zur Heimat geworden ist. Und auch sie interessieren sich für betreutes Wohnen als moderne Wohnform.
Betreutes Wohnen mit Respekt vor anderen Bräuchen
Wie überall in der multikulturellen Gesellschaft gilt auch beim betreuten Wohnen: Mit Respekt geht alles besser. Unterschiede sollten als Bereicherung empfunden werden.

In vieler Hinsicht sind jedoch auch Kompromisse gefragt. So dominiert in der deutschsprachigen Schweiz traditionell die Kleinfamilie. In anderen Kulturen hat dagegen die Grossfamilie einen höheren Stellenwert. Kommen sonntags gleich zehn Familienmitglieder zu Besuch, kann dies bei anderen schnell auf Verärgerung stossen.
Hier ist es sinnvoll, wenn beide Seiten Rücksicht nehmen. Die Dame, die lediglich Besuch von ihrer Tochter erhält, nimmt die lautstarke Begrüssung und das Gewusel der Grossfamilie zunächst hin. Nach einer gewissen Zeit sollte die Grossfamilie dann aber die Privaträume aufsuchen. Sonst macht betreutes Wohnen auf lange Sicht keinen Spass.
Betreutes Wohnen: Klare Regeln seitens der Leitung helfen
Natürlich kann nicht von den Bewohnerinnen und Bewohnern erwartet werden, dass sie alles selbst regeln. Die Leitung ist gefragt, das multikulturelle Zusammenleben im betreuten Wohnen offiziell zu regeln.
Sie könnte beispielsweise eine maximale Besucheranzahl pro Besuch festlegen. Auch allgemeine Ruhezeiten sollten berücksichtigt werden. Herrscht um 22 Uhr Nachtruhe, muss dann auch die Gruppe, die mit lauten Gesprächen im Freien sitzt, in ein Zimmer gehen.

Ein Bereich mit viel Konfliktpotenzial ist das Ausleben verschiedener Religionen. Auch hier sollten bestimmte Regelungen getroffen werden. Dazu gehört etwa die Nutzung ausgewählter Räume für Gottesdienste und Gebete. Das Personal der Einrichtung – das oft ebenfalls multikulturell aufgestellt ist – kann mit gutem Beispiel vorangehen, indem es Toleranz vorlebt.
Betreutes Wohnen: Neugierde statt Ablehnung
Wichtig für alle Beteiligten ist Offenheit und Neugierde. Statt eine fremde Kultur sofort abzulehnen, lohnt es sich, zuzuhören. Über private Fragen können schnell neue Freundschaften geschlossen werden. Die Leitung der Anlage kann den Austausch durch gemeinsame Abende fördern: Dabei stellt jeweils eine Gruppe spezifische Aspekte ihrer Kultur vor und beantwortet Fragen.

Besonders gesellig ist der Austausch natürlich bei gemeinsamen Feiern: Ob Weihnachten, Zuckerfest, Chanukka oder chinesisches Neujahr – es gibt immer etwas zu feiern. Dabei werden traditionelle Speisen und Getränke gereicht und Bräuche erklärt. Viele Bewohnerinnen und Bewohner werden es mit Freude sehen, wenn ihre gebackenen oder gekochten Spezialitäten von anderen angenommen werden.
Das Gleiche gilt natürlich auch für andere unterschiedliche Lebensstile: So kann der Veganer nicht einfordern, dass die Gemeinschaftsküche nur noch veganes Mahlzeiten kocht. Er kann jedoch selbst andere mit selbst gekochten Speisen zeigen, wie lecker veganes Essen schmecken kann.