Tod auf der Ostsee vorgetäuscht – Ehering wird Mann zum Verhängnis

Ein Mann aus Kiel soll seinen Tod in der Ostsee vorgetäuscht haben, um Versicherungen zu betrügen. Monate später zerren Polizisten ihn hinter Kisten hervor.

Polizisten führen nach einem Polizeieinsatz einen Verdächtigen in Handschellen ab. Rund sieben Monate nach seinem vermeintlichen Ertrinken in der Ostsee haben Ermittler einen 52-jährigen Kieler in Niedersachsen (D) ausfindig gemacht. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Mann aus Kiel (D) soll seinen Tod in der Ostsee vorgetäuscht haben.
  • Damit wollte der 52-Jährige Versicherungen betrügen.
  • Die Polizei ist ihm nun auf die Schliche gekommen – auch wegen seinem Ehering.

Sein Ehering wird ihm zum Verhängnis. Zwei Stunden suchen Polizisten am 7. Mai in einer alten Stadtvilla im niedersächsischen Schwarmstedt nach einem mutmasslichen Betrüger. Dann leuchtet ein Beamter auf dem Dachboden mit seiner Taschenlampe herum.

«Er hat dabei ein Aufblitzen gesehen», sagt ein Ermittler der Kieler Polizei. «Beim genauen Hinsehen hat der Kollege erkannt, dass es ein Ehering an einer Hand war.» Wenige Augenblicke später nehmen Polizisten den 52 Jahre alten Kieler fest. Der Norddeutsche taucht sieben Monate nach seinem vermeintlichen Ertrinken in der Ostsee wieder auf – auf dem Dachboden seiner Mutter.

Die Kieler Staatsanwaltschaft ermittelt wegen mehrfachen versuchten Betrugs. «Bereits 2018 sind für den Beschuldigten gut ein Dutzend Lebens- und Unfallversicherungen bei verschiedenen Versicherungsgesellschaften abgeschlossen worden», sagt Oberstaatsanwalt Axel Bieler.

4,1 Millionen Euro Entschädigung für Ehefrau und Mutter

Die Gesamtsumme liege bei mehr als 4,1 Millionen Euro (4,3 Millionen Franken). «Wir waren relativ schnell der Auffassung, dass hier lediglich der Tod vorgetäuscht worden ist, um die Versicherungssumme zu kassieren.» Sie sollte im Todesfall an Frau und Mutter ausgezahlt werden.

Rückblende: Am 7. Oktober 2019 bricht der Mann von Kiel aus mit einem kleinen Motorboot zu recht später Stunde in Richtung Dänemark auf. Das Wetter ist nicht schlecht. Drei Tage später meldet seine Frau ihn als vermisst – eine grossangelegte Suche verläuft ohne Erfolg.

Am 11. Oktober entdeckt ein Zeuge das gekenterte Boot vor dem nordöstlich von Kiel gelegenen Ort Schönberg. Der Bug ragt noch aus dem Wasser, das Boot ist vom Strand aus zu sehen. Offensichtliche Schäden gibt es nicht, Schwimmwesten und Schlauchboot fehlen.

Spaziergänger sind bei wechselhaftem Wetter am Ostseestrand unterwegs. - dpa

Die Kieler Polizei stösst bei den Ermittlungen auf Ungereimtheiten und wird schnell skeptisch. Für einen 23-järhrigen Ermittler ist es überhaupt der erste Vermisstenfall. Erst wenige Monate vorher hat er seine Ausbildung abgeschlossen. «Die Ermittlungsarbeit gestaltete sich wie ein Puzzle», sagt er.

Ein Gutachter stellt schliesslich Manipulationen am Boot fest. «Das hat für uns einen Unfall ausgeschlossen», sagt der Ermittler. Weitere Indizien kommen hinzu. «Das Verhalten der Ehefrau beispielsweise wies Fragen auf», sagt eine Ermittlerin.

Sie habe angeblich keine Kenntnis von alltäglichen Dingen aus dem Leben ihres Mannes gehabt und «recht spät eine Vermisstenmeldung erstattet». Zudem beantragen mehrere Versicherungen Akteneinsicht.

«Plan war durchdacht und gut vorbereitet»

«Der Plan war durchdacht und gut vorbereitet», sagt die Ermittlerin. «Da steckte ein Haufen Arbeit dahinter.» Die Polizisten gehen davon aus, dass der Mann, seine gleichaltrige Ehefrau und seine 86-jährige Mutter den Plan gemeinsam ausgeheckt haben. Die Ehefrau sitzt seit Ende April in Untersuchungshaft – ihr Mann schweigt zu den Vorwürfen, seine Mutter ebenfalls.

Antrag auf Auszahlung des Geldes sei bereits gestellt worden, sagt Oberstaatsanwalt Bieler. Bei Seeunfällen gelte eine sechsmonatige Frist. Sonst könne eine Person erst nach fünf Jahren für tot erklärt werden. Der 52-Jährige ist für die Staatsanwaltschaft kein Unbekannter: Er wurde in Kiel bereits wegen Kreditbetrugs verurteilt, das Urteil ist aber nicht rechtskräftig.

Polizisten stehen nach der Festnahme eines Verdächtigen zusammen. Rund sieben Monate nach seinem vermeintlichen Ertrinken in der Ostsee haben Ermittler einen 52-jährigen Kieler in Niedersachsen (D) ausfindig gemacht. - dpa

In dem spektakulären Kieler Fall haben die Ermittler bislang nur die Ehefrau vernommen. «Wir haben Hinweise, dass sich der Mann längere Zeit bei seiner Mutter aufgehalten hat», sagt der Ermittler. Gesichert seien diese Erkenntnisse aber nicht.

Unklar ist auch die Staatsangehörigkeit des in Deutschland geborenen Kielers. Offen ist zudem, welchem Beruf er zuletzt nachging. «Wir haben verschiedene Angaben und Hinweise», sagt der Oberstaatsanwalt. Noch in diesem Jahr soll das Trio angeklagt werden.