Weniger Kosten, gerechtere Geldverteilung und damit mehr Spannung. Die Corona-Krise macht in der Formel 1 den Weg für schnellere Reformen frei.
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Die Formel 1 ist zum Umdenken gezwungen. - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • In tiefer Sorge um die Formel 1 und seine gesamte Vollgas-Welt ruft der Chef des Automobil-Weltverbands zur Radikalkur auf.

«Was wir brauchen, ist ein komplettes Umdenken im Motorsport», lässt sich Fia-Präsident Jean Todt im jüngsten Verbandsmagazin zitieren. «Wir könnten von einem ‹New Deal› reden, wie ihn Amerika nach der Weltwirtschaftkrise hatte.» Der frühere Ferrari-Teamchef von Michael Schumacher weiss, dass der Corona-Stillstand auch die Zukunft seines Premium-Produkts Formel 1 gefährdet.

Zugleich aber könnte die Krise auch die Chance für überfällige Reformen in der Rennserie sein. Dies sei ein «schmerzhafter» Prozess, sagt Formel-1-Sportchef Ross Brawn. «Aber ich denke, wir werden stärker daraus hervorgehen. Wenn wir da durchkommen», fügt der 65-Jährige mit dem Spitznamen «Superhirn» hinzu.

Formel 1 Ross Brawn
Ross Brawn, Motorsport-Direktor der Formel 1. - Keystone

Kostengünstiger soll die Formel 1 werden, gerechter und effizienter. Näher am Fan, spannender und angeblich sogar klimafreundlicher. All das wollte Rechte-Inhaber Liberty Media schon vor der Covid-19-Pandemie durchsetzen. Nun aber ist der Zwang zu schnellen Veränderungen ungleich grösser.

Budget-Obergrenze spaltet die Formel 1

Neben einem Not-Kalender mit einem Saisonstart am 5. Juli in Österreich und einer Serie von Geisterrennen diskutieren die Verantwortlichen vor allem über die künftige Ausgabengrenze.

Die einst für 2021 beschlossenen 160 Millionen Euro pro Team und Jahr sind längst überholt, der Sparzwang ist übermächtig. 133 Millionen Euro sollen es nun im nächsten Jahr sein, verkündet Unterhändler Brawn. «Und die Frage ist, wie weit wir das in den nächsten Jahren noch drücken können», ergänzt er.

Formel 1 Vettel Ferrari
Ferrari wehrt sich bisher gegen die geplante Budget-Obergrenze in der Formel 1. - dpa

Vor allem Ferrari wehrt sich gegen eine noch weitere Reduzierung des Limits. Die Scuderia müsste sonst wohl viele Mitarbeiter entlassen – und fürchtet sich vor einem Aufholen der kleineren Teams.

Doch im Kampf Gross gegen Klein haben diesmal die Underdogs die stärkeren Argumente und die Regelmacher auf ihrer Seite. «Als eine Familie sollten wir in der Formel 1 nach allen Beteiligten schauen», sagt auch Vettel.

Prioritäten haben sich verändert

«Die wirtschaftliche Nachhaltigkeit ist in der jetzigen Situation die Priorität. Das gilt für die grossen Teams genauso wie für die kleinen», sagt Formel-1-Sportchef Brawn. Für mehr finanzielle Chancengleichheit soll auch das Preisgeld künftig anders verteilt werden. Die Mittelfeld-Teams erhalten dann mehr aus diesem Topf als bisher.

Lewis Hamilton Mercedes W11
Lewis Hamilton am Steuer des Mercedes W11 bei den Formel-1-Testfahrten in Barcelona.
Charles Leclerc Ferrari SF1000
Charles Leclerc am Steuer des Ferrari SF1000 bei den Formel-1-Testfahrten in Barcelona.
Max Verstappen Red Bull
Max Verstappen am Steuer des Red Bull RB16 bei den Formel-1-Testfahrten in Barcelona.
Carlos Sainz McLaren MCL35
Carlos Sainz am Steuer des McLaren MCL35 bei den Formel-1-Testfahrten in Barcelona.
Fernando Alonso
Esteban Ocon am Steuer des Renault R.S.20 bei den Formel-1-Testfahrten in Barcelona.
Daniil Kvyat AlphaTauri AT01
Daniil Kvyat am Steuer des AlphaTauri AT01 bei den Formel-1-Testfahrten in Barcelona.
Lance Stroll Racing Point
Lance Stroll am Steuer des Racing Point RP20 bei den Formel-1-Testfahrten in Barcelona.
Kimi Räikkönen Alfa Romeo
Kimi Räikkönen am Steuer des Alfa Romeo C39 bei den Formel-1-Testfahrten in Barcelona.
Kevin Magnussen Haas VF-20
Kevin Magnussen am Steuer des Haas F1 VF-20 bei den Formel-1-Testfahrten in Barcelona.
George Russell Williams FW43
George Russell am Steuer des Williams FW43 bei den Formel-1-Testfahrten in Barcelona.

Weniger Ausgaben, höhere Einnahmen – so soll die Konkurrenz bessere Chancen gegen die Platzhirsche Mercedes, Ferrari und Red Bull haben. Zugleich hoffen Weltverband und Eigentümer mit einem neuen Geschäftsmodell auch auf Neuzugänge.

Die Formel 1 sei offen für zwei neue Rennställe, wenn sich Investoren finden würden. Das berichtet das Fachmagazin «Auto, Motor und Sport». Durch den erforderlichen Personalabbau bei aktuellen Teams wären Fachkräfte verfügbar. Der Einstieg sei durch das Budgetlimit günstiger möglich als bisher.

Formel 1 Williams McLaren
Nicholas Latifi (Williams) vor Lando Norris (McLaren) bei den Testfahrten der Formel 1 in Barcelona. - dpa

Allerdings droht einigen aktuellen Teams trotz Millionen-Vorschüssen durch Liberty die Pleite. Hersteller wie Mercedes oder Renault könnten wegen der Notlage in der Autoindustrie ihr Engagement überdenken. «Ich hoffe, die Teambesitzer und Sponsoren behalten ihre Motivation. Wir müssen sie in ihrem Gefühl bestärken, dass sie es weiter wollen und brauchen», mahnt Fia-Chef Todt.

Ecclestone träumt von Retro-Formel-1

Der langjährige Chefvermarkter Bernie Ecclestone rät seinen Nachfolgern zu noch drastischeren Schritten. «Jemand sollte das Regelbuch zerreissen - und ganz neue Regeln schreiben», sagt der 89-Jährige zu «Autocar».

Weg mit überkomplizierter Technik und Hybridmotoren, zurück zu dröhnenden Verbrennern. Dazu grössere Freiheiten für wilde Fahrer und clevere Ingenieure. Das ist Ecclestones Vision. «Wir müssen sicherstellen, dass die Formel 1 ein Entertainment-Paket bleibt», sagt der Brite.

Bernie Ecclestone Formel 1
Ex-Zampano Bernie Ecclestone träumt von einer runderneuerten Formel 1. - Keystone

Ecclestone spricht damit wohl so manchem Retro-Fan wie Sebastian Vettel aus der Seele. Aber seine Vorschläge dürften bei den Entscheidern ungehört verhallen. «Wir müssen bescheiden sein und angemessene und weise Entscheidungen treffen», sagt Weltverbandspräsident Todt. «Auch wenn wir Motorsport lieben, ist er nicht unverzichtbar für die Gesellschaft.»

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