«Gemeinderat in Maur ZH killt die Pressefreiheit»
Nach kritischen Artikeln in der «Maurmer Post» über einen Todesfall entliess die Gemeinde zwei Journalisten. Was ist passiert? Eine Kolumne von Thomas Renggli.

Das Wichtigste in Kürze
- Auf dem Hof «Sponstürli» in Maur ZH geschieht im Jahr 2024 ein Mord.
- Der Besitzer einer Hundepension tötet seinen eigenen Onkel auf brutale Weise.
- Nach Artikeln in der «Maurmer Post» wurden anschliessend zwei Journalisten entlassen.
- Kürzlich wurden in der gleichen Hundepension elf Tiere tot aufgefunden.
Nach meiner ersten Kolumne wurde mir bewusst, dass ich eine journalistische Unterlassungssünde begangen habe: Ich schrieb frei von der Leber weg über meinen Wohnort Maur – und vergass, dass wohl 98 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer nicht wissen, wo dieses Maur liegt.

Hier also die Basisinformationen: Maur ist eine Gemeinde am Greifensee mit rund 11'000 Einwohnerinnen und Einwohnern, fünf Ortsteilen und einer bemerkenswerten Entwicklung vom Bauerndorf zum bevorzugten Wohnort des oberen Mittelstands. Auch der Steuerfuss von 85 Prozent ist ein nicht ganz unbedeutender Standortvorteil.
Und Maur besitzt eine Gemeindezeitung, nämlich die «Maurmer Post». Sie erscheint wöchentlich, berichtet über Kindertanzgruppen und Flohmärkte, aber auch über das politische Leben und die Entscheide im Dorf.
Seit den tragischen Ereignissen vom Februar 2024 – dem Tötungsdelikt auf einem Bauernhof – ist jedoch medial in Maur nichts mehr wie zuvor.
In der Lokalberichterstattung über jene Katastrophe äusserte sich die Schwester des Opfers in der «Maurmer Post» kritisch zu den Behörden und warf insbesondere dem Bauamt eine Mitschuld vor.
Investigativer Journalismus ist untersagt
Damit war das Fass offenbar randvoll: Der Gemeinderat stellte den verantwortlichen Redaktor über Nacht vor die Tür – und verlängerte den befristeten Vertrag des Chefredaktors, der diese Zeilen schreibt, nicht.
Seither untersteht die «Maurmer Post» der direkten redaktionellen Hoheit des Gemeinderats. Investigativer Journalismus ist untersagt.
Die Zeitung fungiert als reines Verlautbarungsorgan und ist mit rund 300'000 Franken jährlich subventioniert.

Damit hat der Gemeinderat gleich zwei Ziele erreicht: Er wurde lästige Journalisten elegant los und sicherte sich gleichzeitig die Kommunikationshoheit.
Nur noch, was ihm passt, erscheint im Blatt. Und trifft ein kritischer Leserbrief ein, kann der Gemeinderat noch in derselben Ausgabe reagieren und die Gegenargumente prominent platzieren.
Es fehlt die Glaubwürdigkeit
Zuspitzend könnte man sagen: Verhältnisse wie in Staaten, von denen wir glaubten, sie lägen weit von der Schweiz entfernt. In Wirklichkeit kommen sie auf kommunaler Ebene erstaunlich häufig vor.
Dabei ist es unbestritten: Für das Funktionieren der Schweizer Basisdemokratie ist es essenziell, dass Bürgerinnen und Bürger frei und unabhängig über Politik und Verwaltung informiert werden – über Gutes wie über Missstände.
Geschieht dies nicht oder nur noch einseitig und von oben herab, fehlt den Botschaften die Glaubwürdigkeit. Die Menschen verlieren den Bezug zu ihrem Wohnort und zu ihrem Gemeinwesen.
Defizit liegt im Lokalen
Gerade in der Schweiz, wo Demokratie beim Gemeinde- oder Stadtbudget beginnt, beim Bau einer Turnhalle oder einer Strasse, ist das fatal.
National gibt es Medienvielfalt. «Tages-Anzeiger», «NZZ», «Blick», CH Media, SRF oder Nau.ch garantieren die überregionale Berichterstattung.
Das grosse Defizit liegt seit Jahren im Lokalen. Wo früher mehrere Blätter konkurrierten, existiert heute, wenn überhaupt, noch eines – oft eingebunden in einen Verbund, der aus Kostengründen nur das Nötigste an lokaler Berichterstattung zulässt. Der Negativtrend hält an.

Es droht die demokratische Sackgasse
Gibt es lokal noch freie Medien, tut die Politik gut daran, sie zu schützen. Und im besten Fall zu stärken. Unabhängig davon, ob sie angriffig oder zahm sind.
Politikerinnen und Politiker, die glauben, auf freie Medien verzichten oder sie durch steuerfinanzierte Amtsblätter ersetzen zu können, steuern in die demokratische Sackgasse.
Es ist wie zu Hause: Wer seine Familie nur mit geschönten Botschaften und eigenen Grosstaten bedienen will, verliert am Ende deren Vertrauen.
Zur Person
Thomas Renggli aus der Zürcher Vorortsgemeinde Maur ist freier Journalist und Buchautor. Zwischen Mai 2023 und April 2024 war er *Chefredaktor der Lokalzeitung Maurmer Post. Heute verantwortet er die unabhängige Maurmer Zeitung. Über die Vorfälle vor seiner Haustüre hat er das Buch «Tod im Sponstürli» verfasst, das im Helvetia-Verlag erscheint. Renggli kandidiert am 8. März 2026 als Parteiloser für den Gemeinderat Maur.












