Wie positioniert sich die FDP bei den EU-Verträgen?
Die FDP bekommt bald ein Co-Präsidium. Ein Thema, das Benjamin Mühlemann und Susanne Vincenz-Stauffacher beschäftigen wird, sind die neuen EU-Verträge.

Das Wichtigste in Kürze
- Die EU-Frage beschäftigt die FDP trotz Präsidentenwechsel weiterhin.
- In der Partei gibt es sowohl Befürworter als auch Gegner der neuen Verträge.
- Auch das neue Co-Präsidium hat gewisse Differenzen – Politologe Sean Müller ordnet ein.
Schon lange vor der Abstimmung ist die Debatte um die neuen EU-Verträge lanciert. Befürworter sehen darin eine Fortsetzung des bewährten bilateralen Wegs. Gegner befürchten, dass man sich damit der EU unterwirft.
Noch nicht klar positioniert hat sich die FDP. Einige Vertreter der Partei sprechen sich dafür aus, andere dagegen.
Eine Arbeitsgruppe aus sechs Befürwortern und sechs Gegnern beschäftigt sich seit dem vergangenen Jahr mit dem Thema. Letztlich wird die Delegiertenversammlung der Liberalen dereinst über die Frage entscheiden müssen.
Klar ist: Den Abstimmungskampf wird die FDP mit einer neuen Führung bestreiten. Ein Co-Präsidium aus Benjamin Mühlemann und Susanne Vincenz-Stauffacher wird die Nachfolge von Thierry Burkart antreten.
Differenzen bei EU-Frage vorhanden, aber gering
Der Glarner Ständerat Mühlemann äussert sich bisher eher zurückhaltend zu den EU-Verträgen. Derweil gilt die St. Galler Nationalrätin Vincenz-Stauffacher, selbst Teil der erwähnten Arbeitsgruppe, als Befürworterin des Abkommens. Was bedeutet das neue Duo für die künftige EU-Position der FDP?
Sean Müller, Politologe an der Universität Lausanne, bezieht sich auf Anfrage von Nau.ch zunächst auf die Smartvote-Profile der beiden Liberalen. Demnach bestehen beim Thema Aussenbeziehungen «nur minimale Unterschiede».

Vincenz-Stauffacher spricht sich klar für engere Beziehungen zur EU aus. Mühlemann sagt dazu nur «eher Ja». «Der bilaterale Weg ist zu festigen beziehungsweise zu stärken. Ein Beitritt oder eine weitergehende politische Integration kommt jedoch nicht infrage», führt er aus.
Einig sind sich die beiden Präsidenten in spe darin, dass man die Bilateralen keinesfalls kündigen sollte. Auch einem Freihandelsabkommen mit den USA stehen sie beispielsweise positiv gegenüber.
Wichtig ist zu betonen: Die Angaben stammen von den Wahlen 2023, sie sind also bereits zwei Jahre alt.
Präsidium müsste auch Nein zu EU-Verträgen vertreten
Dass es im Co-Präsidium leicht unterschiedliche Auffassungen gibt, passt letztlich zur Partei. Sowohl bezüglich der «Wahrnehmung der Partei von aussen» als auch «ihrer noch andauernden, internen Entscheidfindung», wie Müller sagt.
Das Vorgehen mit der Arbeitsgruppe möge «langsam und kompliziert erscheinen», so der Politologe. «Es trägt aber zur internen Festigung der Position bei.»

Zudem hält Müller fest: Als Parteipräsident oder Parteipräsidentin müsse man sich letztlich in den Dienst der Parteimitglieder stellen. «Die beiden werden sich gut überlegt haben, ob sie auch eine die Verträge ablehnende Partei führen können und wollen.»
Stand jetzt erwartet Müller an der Delegiertenversammlung vom Oktober ein «Ja, aber» oder ein «eher Ja». Entscheidend hierfür sei der Druck der Wirtschaft sowie die Alternativlosigkeit.
Regulierungen als «kleineres Übel»
Aus wirtschaftsliberaler Sicht könnte man einerseits argumentieren, dass es verlässliche Handelspartner wie die EU braucht. Gerade mit Blick auf den Zollstreit mit den USA. Andererseits könnten die EU-Verträge neue Regulierung sowie eine Reduktion der Souveränität bedeuten.
Müller sagt dazu: «Das Liberale an den EU-Verträgen ist ihre konkrete Umsetzung, die ja national beziehungsweise je nachdem sogar kantonal bleibt.» Die Regulierungen müsse man auch sonst erfüllen, wenn man im EU-Binnenmarkt verkaufen wolle. «Insofern stellen sie das kleinere Übel dar.»
Anders sieht es laut Müller bei der Politik von Donald Trump aus. «Zölle und vor allem ihr willkürliches Einsetzen für politische Zwecke sind das genaue Gegenteil von freier Markwirtschaft.»
In jedem Fall wird mit Spannung zu erwarten sein, wie sich die FDP-Arbeitsgruppe zu den EU-Verträgen äussern wird. Spätestens am 18. Oktober, an der Delegiertenversammlung in Bern, muss die Basis Farbe bekennen. Am selben Tag wird auch das neue Präsidium offiziell gewählt.