In der Türkei sollen Wahlbeobachter an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert worden sein: SP-Nationalrat Mustafa Atici spricht von einem «absoluten No-Go».
Mustafa Atici
Nationalrat Mustafa Atici (SP/BS). (Archivbild) - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Präsidentenwahl in der Türkei bleibt unentschieden: Am 28. Mai kommt es zur Stichwahl.
  • SP-Nationalrat Mustafa Atici stellt den Wahlen am Wochenende ein durchzogenes Zeugnis aus.
  • Bei der Stichwahl in zwei Wochen könne es dennoch eng werden, erklärt der Stadtbasler.

Das Rennen um die Präsidentschaft in der Türkei bleibt vorerst unentschieden: Am 28. Mai 2023 wird es zu einer historischen Stichwahl zwischen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan und Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu kommen.

Obwohl er das absolute Mehr knapp verpasst, hat Erdogan letztendlich deutlich besser abgeschnitten, als die meisten Umfragen vorhergesagt hatten: Mit einem Vorsprung von mehr als 2,5 Millionen Stimmen hat der Amtsinhaber bei der Stichwahl die klare Favoritenrolle inne.

Wahlen Türkei Präsidentschaftswahlen Türkei
Anhänger von Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan bei einer Wahlkampfveranstaltung.
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Anhänger von Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu bei einer Wahlkampfveranstaltung.

Am Wahltag kam es offenbar zu keinen systematischen Unregelmässigkeiten, wie die unabhängigen Wahlbeobachter der OSZE am Montag bestätigten. Gleichzeitig verweisen sie aber auf die ungleiche Ausgangslage vor dem Urnengang und allgemeine rechtsstaatliche Missstände in der Türkei. Überdies gibt es Berichte von etlichen zweifelhaften Vorfällen: Mehrere Wahlbeobachter, darunter ein Schweizer Nationalrat, seien am Besuch von Wahllokalen abgehalten worden.

SP-Nationalrat Mustafa Atici erwartet Untersuchung

SP-Nationalrat Mustafa Atici erwartet, dass die OECD diese Vorfälle nun genau untersucht: «Dass unabhängigen Beobachtern der Zugang zu Wahllokalen verwehrt wird, ist ein absolutes No-Go!»

Pierre-Alain Fridez Wahlbeobachter  Türkei
Pierre-Alain Fridez, SP-Nationalrat, ist in der Türkei als Wahlbeobachter im Einsatz. - keystone

Für Atici stellen diese Unregelmässigkeiten aber keine Überraschung dar. «In der Türkei ist Wahlmanipulation leider nichts Neues», erklärt der Basler. Dabei verweist er insbesondere auf die Missstände in Sachen Medienfreiheit, welche die Berichterstattung in der Türkei bis heute prägten.

Tatsächlich belegt das Land am Bosporus in der Rangliste der Medienfreiheit den bedauernswerten 165. Rang – von 180. Alleine in den Tagen vor den Wahlen sind Dutzende Journalisten wegen kritischer Artikel mit Strafverfolgungsbehörden aneinander geraten. Verhaftungen und Gerichtsverfahren scheinen für regierungskritische Journalisten beinahe zur Tagesordnung zu gehören.

Recep Tayyip Erdogan Türkei
Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan kontrolliert die Medien und sämtliche Staatsorgane in der Türkei. - keystone

Ferner verweist der türkischstämmige Stadtbasler auf den «hohen Wahlrat» der Türkei: «Diese Personen sind mit der Durchführung der Wahlen betraut und wurden von der Regierungspartei AKP eingesetzt. Sie sind bedauerlicherweise keineswegs unabhängig.»

Fehler auch bei Opposition: Rennen bleibt offen

Gleichzeitig verweist Atici aber auch auf Versäumnisse vonseiten der Opposition: «Sechs Parteien sind gegen Erdogan zusammenkommen, das ist historisch und bemerkenswert. Dass dieser Zusammenschluss erst so kurz vor den Wahlen zustande kam, ist allerdings alles andere als optimal.» Was fehle, sei eine richtige Zukunftsperspektive.

Kemal Kilicdaroglu Wahlen Türkei
Das Bündnis um Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu ist erst kurz vor den Wahlen zustande gekommen. (Archivbild) - keystone

Insgesamt stellt der Basler den Wahlen am Wochenende ein durchzogenes Abschlusszeugnis aus. Wie viel Manipulation effektiv im Spiel war, sei aber schwer abzuschätzen. Dennoch scheine das Resultat etwas fragwürdig, erklärt Atici: «Das türkische Volk hätte etwas Besseres verdient.»

Wird Erdogan die Stichwahl gewinnen?

Für den Ausgang der Stichwahl am übernächsten Sonntag möchte Atici noch keine definitive Prognose wagen: «Wenn die Opposition ihr Lager zusammenhält und weiterhin alles gibt, dann könnte es knapp werden», erklärt der Sozialdemokrat. Gleichzeitig zeige die Erfahrung, dass die Regierung um Erdogan alle Register ziehen werde, um sich an der Macht zu halten.

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