Von SP bis SVP: Interview-Boykott des Bundesrats entsetzt Politiker
Der Bundesrat will auch nach der Pandemie keine Pool-Interviews im Anschluss an Medienkonferenzen mehr geben. Politiker sind entsetzt.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Interviews im Anschluss an Bundesrats-Medienkonferenzen werden permanent abgeschafft.
- Wegen der Pandemie-Massnahmen waren diese seit Frühling 2020 sistiert.
- Politiker sind entsetzt: Pool-Interviews seien elementar und im Interesse des Bundesrats.
Die Pool-Interviews: Nein, sie finden meist nicht am Beckenrand statt, Laune und Sonne blendend, Puls und Atmung im niederfrequenten Bereich. Pool-Interviews führen Journalisten «im Pool», also im Rudel, gemeinsam durch. Mit Mikrofon und Kamera, dichtgedrängt vor einem Entscheidungsträger, die Ellbogen ausgefahren, die entscheidende Frage auf den Lippen.
Es ist eher ein Haifischbecken als ein Wellnessbad. Trotzdem halten Journalisten grosse Stücke auf das Wort-Ping-Pong im Gedränge. «Bei den Pool-Interviews geht es um einen elementaren Pfeiler der Medienvielfalt», sagt SP-Nationalrat Matthias Aebischer, selbst ehemaliger SRF-Journalist.

Doch nun schafft sie ausgerechnet der Bundesrat ab. «Ich kann kaum glauben, dass das wahr ist. Das ist eine völlige Schnapsidee», sagt ein verblüffter Gregor Rutz, National der SVP.
Pandemie-Regeln werden beibehalten
Als die Pandemie noch in weiter Ferne war, liefen Medienkonferenzen des Bundesrats noch weitaus uneingeschränkter ab. Nach 30 bis 40 Minuten Ausführungen und ein paar allgemeinen Verständnisfragen ging man zur sogenannten «Nach-Demo» über. Bundesräte und Amtsdirektoren konnten von den anwesenden Medien eins zu eins interviewt werden. War der Andrang gross, wurden Pools nach Sprachen und Medientyp verordnet, oder Journalisten bildeten von sich aus Gruppen.

In der Pandemie ging das nicht mehr, sämtliche Fragen müssen im Plenum gestellt werden, sofern dazu Zeit ist. Dieses Regime will der Bundesrat nun auch künftig beibehalten, sehr zum Ärger von Journalisten, aber auch Parlamentariern. «Das geht überhaupt nicht und ist unter keinem Titel machbar», findet Gregor Rutz. Matthias Aebischer pflichtet bei: «Als ehemaliger Journalist finde ich das eine sehr schlechte Idee.»
Mit Pool-Interviews gegen den «unappetitlichen Einheitsbrei»
Der Bundesrat begründet den Entscheid mit den Veränderungen in der Medienlandschaft: Jedes Medium habe mittlerweile noch ein audiovisuelles Standbein. Ein Punkt, den FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen aus eigener Erfahrung in der Wandelhalle des Parlaments nachvollziehen kann. «Es ist klar, dass man nicht jedes Mal zehn verschiedenen Medien fünf Minuten zur Verfügung stehen kann.»

Er findet aber auch: «Man muss das halt straffen, ein paar zusammennehmen, aber es ist wichtig, dass auch kleinere Medien zum Zug kommen können.» Diversität tut Not im Medien-Biotop. «Wenn alle Medien nur mit den vom Bundesrat abgelesenen Voten arbeiten dürfen, erhalten wir einen unappetitlichen Einheitsbrei», sagt Matthias Aebischer. «Wenn wir, wie immer behauptet, wirklich Medienvielfalt wollen, dann müssen wir auch die Voraussetzungen dafür schaffen.»
Steilpass für die SRG?
Selbstverständlich seien Behörden der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig, betont Rutz. Obwohl die Bundeskanzlei betont, alle Medien würden gleichbehandelt: Die Abschaffung der Pool-Interviews sei unter keinem Titel machbar. «Medien müssen primär private Medien sein, öffentlich finanzierte wie die SRG die Ausnahme. Darum müssen Behörden primär den privaten Medien Auskunft geben» – und genau dieser Punkt sei in Gefahr.

Denn Interviews mit Bundesräten sind grundsätzlich immer noch möglich, halt auf Anfrage. Insbesondere dann, wenn man, wie die SRG, ein ganzes TV-Studio samt Personal, diverse Radio-Studios und Duplex-Kabinen im Bundesmedienzentrum hat. «Die SRG tritt halt auch sehr aggressiv und selbstsicher auf und holt sich so ihre Interviewpartner», formuliert es Christian Wasserfallen.
«Die Spiesse müssen aber natürlich – auch im Interesse des Bundesrats – schon gleich lang sein.» Zwar sei der Bundesrat generell eher zu geschwätzig, findet Gregor Rutz. «Aber wenn der Bundesrat schon mal was zu sagen hat, dann soll er auch zur Verfügung stehen.» Auch das in seinem eigenen Interesse.
