Das Schweizer Stimmvolk lehnt die Verrechnungssteuerreform knapp ab. Finanzminister Ueli Maurer zeigt sich sichtlich unglücklich und lästert über das Stimmvolk.
Ueli Maurer spricht über den Ausgang der Initiative zur Verrechnungssteuer und kritisiert die Stimmbevölkerung. - Youtube /@Der Schweizerische Bundesrat

Das Wichtigste in Kürze

  • 52 Prozent der Schweiz spricht sich gegen die Verrechnungssteuerreform aus.
  • Die Ablehnung in der Romandie ist deutlich höher als in der Deutschschweiz.
  • Ueli Maurer ist unzufrieden und kritisiert sowohl Parlament wie Stimmbevölkerung.
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Unternehmen müssen auf Zinserträge auch künftig eine Verrechnungssteuer bezahlen. Die Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen bleibt. Mit gut 52 Prozent hat die Stimmbevölkerung erneut eine Steuerreform verworfen. Das ist ein kleines Trostpflaster für die Linke.

Verloren hat damit in erster Linie Finanzminister Ueli Maurer. Der SVP-Bundesrat zeigte sich denn auch alles andere als amüsiert. «Das Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge in der Bevölkerung schwindet», klagte er am Abend an der bundesrätlichen Pressekonferenz.

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Bundesrat Ueli Maurer hat die Abstimmung über die Verrechnungssteuer verloren. - Keystone

Weiter bedauert der Bundesrat den «unglücklichen Zeitpunkt» der Abstimmung. Dabei bräuchte es eine bessere Terminierung der Steuervorlagen. Dabei holt Maurer zum Rundumschlag aus und schiesst gegen das Parlament: «Wir sind hier getrieben vom Parlament. Ich habe immer noch sechs Steuervorlagen vom Parlament aufgedrückt.»

Alle gesellschaftlichen Probleme mit einer Steuervorlage zu ändern, «gehe nicht».

52 Prozent gegen Vorlage

Das von der SP lancierte Referendum gegen die Teilabschaffung der Verrechnungssteuer schaffte die Abstimmungshürde knapp. Gemäss den Endresultaten aus den Kantonen stimmte eine Mehrheit von 52,01 Prozent der Stimmbevölkerung gegen die Vorlage. In absoluten Zahlen waren 1'426'300 Stimmende dagegen und 1'316'000 dafür.

Zwölf Kantone befürworteten wie das Parlament und der Bundesrat die Steuerreform, 14 Kantone waren dagegen. Der Blick auf die Abstimmungskarte zeigt einen tiefen Röstigraben. Die Westschweiz lehnte die neuen Steuerregeln geschlossen ab. In der Deutschschweiz waren die meisten Kantone für die Reform. Die grösste Ablehnung gab es im Kanton Jura mit einem Nein-Stimmen-Anteil von 64,0 Prozent. Nidwalden sagte mit 62,7 Prozent am deutlichsten Ja.

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Frauen kommen bei vielen Steuererklärungen immer erst an zweiter Stelle. (Symbolbild) - keystone

Das Nein ist eine Schlappe für die Bürgerlichen und ein Erfolg für die Linke. Gegen die vom Parlament beschlossene Änderung des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer hatte die SP das Referendum ergriffen. Mit der Unterstützung von Grünen, Gewerkschaften und EVP brachte sie die Vorlage nun zu Fall.

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Ein Plakat wirbt gegen die Verrechnungssteuer-Vorlage. - keystone

Das Ziel der Reform war es, den Schweizer Fremdkapitalmarkt zu stärken. Bundesrat und Parlament wollten ab 2023 neu herausgegebene Obligationen von der Verrechnungssteuer befreien. Zudem sollten Anteile von ausländischen Geldmarktfonds von der Stempelabgabe befreit werden. Geld, das viele Firmen heute im Ausland emittieren, sollte dadurch in die Schweiz fliessen.

Nun bleibt alles beim Alten. Das heisst: Inländische Zinsen auf Obligationen unterliegen weiterhin einer Verrechnungssteuer von 35 Prozent. Die privaten Anlegerinnen und Anleger sind zumeist zu einer vollständigen oder teilweisen Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf den Zinsen ihrer Sparkonti berechtigt.

Wirtschaft verliert Zahlenstreit

Treiber der Vorlage waren die Wirtschaftsverbände - allen voran die Bankiervereinigung und der Dachverband Economiesuisse. SVP, FDP, Mitte und GLP unterstützten die Teilabschaffung der Verrechnungssteuer.

Die Befürworter konnten letztlich nicht überzeugend darlegen, dass die Reform die Wirtschaft langfristig stärken sollte. Auf der anderen Seite konnten sie die erwarteten substanziellen Mindereinnahmen nicht negieren. Die Verwaltung gab an, dass die Teilabschaffung der Steuer kurzfristig zu einer Einbusse von einer Milliarde Franken und danach, langfristig, von jährlich rund 215 bis 275 Millionen Franken führen würde.

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Das überparteiliche Komitee in Bern bei der Einreichung des Referendums gegen die Teilabschaffung der Verrechnungssteuer. - Keystone

Die Befürworter der Reform befürchten nun, dass noch mehr Gelder ins Ausland abwandern. Die geltenden Regeln hätten Nachteile für den Wirtschaftsstandort Schweiz.

Nächste Steuervorlage im Wahljahr

Das Nein zeigt, dass es der Wirtschaft schwerfällt, bei steuerpolitischen Vorlagen die Mehrheit der Bevölkerung zu überzeugen. Oft geht es um technische und komplexe Vorlagen, was meist den Gegnern in die Hände spielt.

In jüngerer Vergangenheit war neben der Stempelsteuer auch die Unternehmenssteuerreform III an der Urne gescheitert. Die Linke schaffte es auch damals, das fehlende Vertrauen der Bevölkerung in Grosskonzerne auszunutzen, wie Abstimmungsanalysen zeigten.

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