Die Gegnerinnen und Gegner einer Teilabschaffung der Verrechnungssteuer sehen im Volks-Nein zur Reform eine Absage an Sonderrechte für Konzerne. Die Befürworterseite spricht von einer verpassten Chance für den Werk- und Finanzplatz Schweiz.
maurer coronavirus bundesrat
Bundesrat Ueli Maurer hat die Abstimmung über die Verrechnungssteuer verloren. - Keystone

«Die Leute haben verstanden, dass sich die Schweiz dieses Risiko für mehr Steuerhinterziehung nicht leisten kann», liess sich SP-Co-Präsident Cédric Wermuth am Sonntag in einem Communiqué zitieren.

Finanzminister Ueli Maurer warf die Partei vor, dieser habe in einer Zeit explodierender Strompreise und steigender Krankenkassenprämien riesige Steuerausfälle in Kauf genommen. Mit Blick auf die Umsetzung der OECD-Mindeststeuer schrieb die SP: «Es brauche endlich eine Steuerpolitik für die Bevölkerung und nicht laufend zusätzliche Entlastungen für die Konzerne.

Ins gleiche Horn stiess der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB). Mit einseitigen Begünstigungen für die Oberschicht müsse nun definitiv Schluss sein, forderte er. Stattdessen brauche es Entlastungen für Arbeitnehmende und Renterinnen.

Ähnlich äussersten sich die Grünen. Die Bürgerlichen seien «mit ihrer Steuer-Salamitaktik auf dem Holzweg», schrieben sie in einem Communiqué.

Der finanzielle Spielraum für Steuerentlastungen werde angesichts der Krisen der Gegenwart zunehmend enger, gab die EVP zu bedenken. Während der Bundesrat Konzerne und Unternehmen bereits mehrfach steuerlich entlastet habe, stehe die Abschaffung der Heiratsstrafe noch immer aus. «Bevor weitere Entlastungsschritte für Unternehmen und Kapital realisiert werden, sind aus Sicht der EVP erst einmal Ehepaare und Familien an der Reihe», schrieb die Partei.

Begrüsst wurde das Volks-Nein auch vom Arbeitnehmer-Dachverband Travailsuisse. Die Abschaffung der Verrechnungssteuer hätte zwangsläufig zu Kürzungen der öffentlichen Leistungen, beispielsweise bei der Bildung, dem öffentlichen Verkehr oder im Gesundheitswesen, schrieb er.

Von einem harten Schlag für das Kapital schrieb die Gewerkschaft VPOD. Die Stimmenden hätten den «abenteuerlichen Kalkulationen» Maurers keinen Glauben geschenkt.

Enttäuschung dagegen auf der Befürworterseite: Die Reform hätte die die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt, da viele Geschäfte in die Schweiz zurückgeholt worden wären, gab sich die FDP überzeugt.

Die SVP nahm das Volks-Nein mit Bedauern zur Kenntnis. Es verschärfe die ohnehin schon schwierige wirtschaftliche und finanzpolitische Lage weiter. Der knappe Ausgang der Abstimmung sei jedoch als Teilerfolg zu werten. «Offensichtlich verfangen die Linken Märchen beim Stimmvolk immer weniger», hiess es im SVP-Communiqué.

Eine verpasste Chance sehen die Grünliberalen. Ein Grund für einen Kurswechsel ist der Volksentscheid für sie nicht. Man werde sich weiterhin für eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts im Bereich der Fremdkapitalfinanzierung einsetzen, liess sich die Berner Nationalrätin Kathrin Bertschy im Communiqué zitieren.

Auch die Bevölkerung hätte von der Teilabschaffung der Verrechnungssteuer profitiert, schrieb die Mitte-Partei. Leider habe dies die Stimmbevölkerung anders gesehen. Dies gelte es zu akzeptieren.

Die Reform hätte allen genutzt und dem Fiskus nach fünf Jahren Mehreinnahmen von 350 Millionen Franken gebracht, bekräftigte der Verband Swissholdings. Angesichts des Anstiegs der Staatsschulden in den Coronapandemie wäre es angezeigt gewesen, sie zu beschliessen.

Mit dem Nein blieben die die stetig wachsenden Herausforderungen im internationalen Steuerwettbewerb vorerst bestehen, beklagte der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. Dies gelte es bei der Umsetzung der OECD-Mindeststeuer zu berücksichtigen.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Cédric WermuthTravailsuisseHeiratsstrafeGewerkschaftUeli MaurerAbstimmungGrüneBundesratFrankenSVPEVPFDPSPVerrechnungssteuer-Reform