Längst registriert, aber immer noch kein Impftermin gegen das Coronavirus: Die Gefahr besteht, dass Impfwillige vergebens auf ein Aufgebots-SMS warten.
Impfung Coronavirus  Bern
Der Kanton Bern drückt bei der Corona-Impfung aufs Gaspedal (Symbolbild). - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Einige Kantone benachrichtigen nicht aktiv, wenn Impftermine frei werden.
  • Viele Registrierte gehen davon aus, dass sie informiert werden.
  • Derart verpasste Impftermine seien aber wohl Einzelfälle, heisst es.

Die Dame ist sichtlich verärgert: Eigentlich wegen einer Bagatelle in der Apotheke, macht sie plötzlich ihrem Unmut über die Impfung gegen das Coronavirus Luft. Als älteres Semester, in einer Betreuungsinstitution arbeitend, wäre sie längst impfberechtigt.

Während reihum weit weniger gefährdete Mitmenschen gepikst werden, warte sie immer noch auf ein Aufgebot. Gerade in diesen Tagen könnte dies zahlreichen Impfwilligen so ergehen.

Kanton Bern Impfung Coronavirus
Der Kanton Bern kündigt via Twitter freie Impftermine gegen das Coronavirus an, die registrierten Personen aus den betreffenden Gruppen werden aber nicht direkt kontaktiert. - Screenshot Twitter

Zahlreiche Kantone schalten bereits alle Impf-Gruppen frei, auch wenn nicht alle prioritären Personen schon impfen konnten. Der Kanton Bern öffnete die Schleusen gar ohne Nau.ch-Leser berichten von ähnlichen Fällen in verschiedenen Konstellationen.

Registriert, aber nicht informiert

Die 90jährige Dame, die eigentlich erste Priorität bei der Terminvergabe geniessen sollte, ist seltsamerweise immer noch nicht geimpft. Der Rentner, der trotz Vorerkrankung knapp nicht zur Spitzengruppe gehört, geduldet sich nach der Registrierung beim Kanton. Bis nach seiner Gruppe bereits die nächste freigegeben wird, er aber noch immer ungeimpft gegen das Coronavirus ist.

Wer verlauert hier was? Dass die meisten dieser Fälle aus den Kantonen Bern und Zürich berichtet werden, ist nicht ganz zufällig. Sie benutzen für die Impfkampagne nicht «OneDoc», die Software des Bundes. Denn diese verschickt an registrierte Personen ein SMS, sobald Impftermine verfügbar sind.

Registrierung Impfung QR-Code
Hier geht es zur Impfung – sofern man sich registriert hat, einen QR-Code erhalten hat und dann regelmässig überprüft, ob man einen Termin buchen kann. - Keystone / be.ch

Viele Kantone waren indes mit OneDoc unzufrieden, Zürich schwenkte schliesslich um und setzte auf die Eigenentwicklung der Berner. Diese generiert bei der Registrierung zwar einen QR-Code, aber überlässt die Impfwilligen dann sich selbst. Im Kleingedruckten wird darauf hingewiesen, dass man sich informieren und aktiv melden müsse, sobald die eigene Impfgruppe freigegeben ist.

Coronavirus: Verpasste Termine «eher Einzelfälle»

Die Sprecherin der Zürcher Gesundheitsdirektion, Lina Lanz, bestätigt diesen Ablauf gegenüber Nau.ch. «Über die Freischaltung von Impfgruppen oder verfügbare Termine informieren wir auf unserer Website, den Medien, Sozialen Medien und Alert Swiss.» Die Impftermine gegen das Coronavirus würden sehr gut wahrgenommen und waren innert kurzer Zeit ausgebucht.

Doch auch in Zeiten des Coronavirus ist nicht jede 90-Jährige auf Twitter unterwegs. Zumal in diesem konkreten Fall nicht nur technische Hürden dem Informationsfluss im Wege standen, sondern auch Deutschkenntnisse. Und schliesslich informiert sich auch nur, wer einen Grund dazu hat. Wer davon ausgeht, dass die Handy-Nummer zwecks Kontaktaufnahme gespeichert wurde, bleibt aussen vor.

Eveline widmer-schlumpf Pro Senectute
Die Präsidentin von Pro Senectute, alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, fordert Solidarität und ruft alle Menschen ab 50 Jahren zur Corona-Impfung auf. - Keystone

Die gute Nachricht: «Das müssten eher Einzelfälle sein», heisst es auf Anfrage bei Pro Senectute. «Wir hören, wenn überhaupt, eher davon, dass der Registrierungsprozess eine Herausforderung sein kann», sagt Pro-Senectute-Sprecher Peter Burri. Deshalb biete man auch Unterstützung vor Ort an. Ansonsten habe man sehr positive Rückmeldungen über freundliche Leute in den Impfzentren und gute Organisation.

Gerechtigkeit mit «first come, first serve»

Auch im Kanton Bern habe man keine grossen Abweichungen zwischen Anzahl Registrierten und Anzahl Terminbuchungen festgestellt. Gundekar Giebel, Medienverantwortlicher der Gesundheitsdirektion, ist überzeugt: «Im Kanton Bern wissen die Leute grösstenteils, dass eine Anmeldung noch keine Terminbuchung ist.»

Pierre-Alain Schnegg Impfzentrum Coronavirus
Der Berner Regierungspräsident Pierre Alain Schnegg, rechts, und Robert Escher, Chefarzt und Leiter der Klinik des Spital Emmental Burgdorf, links, während eines Besuchs im Impfzentrum gegen das Coronavirus in Burgdorf, am Dienstag, 16. Februar 2021. - Keystone

Trotzdem gibt es in Bezug auf das Coronavirus Kritik am Vorgehen nach bernischer Art. Zu viel «man muss halt», wenn das Versenden von ein paar Tausend Reminder-SMS in anderen Kantonen kein unüberwindbares Hindernis darstellt.

Kritik auch im Kanton Zürich, der zwar twittert und via die App Alertswiss über freie Termine informiert. Doch Ersteres bekommen oft selbst aktive Twitter-User nur mit, wenn Dritte sie darauf hinweisen. Und letzteres scheint nicht wie gewünscht zu funktionieren und wird noch weniger benutzt als Twitter. Kommt dazu, dass der Kanton Zürich die Termine nur häppchenweise freigibt und sie jeweils schnell gleich wieder ausgebucht sind.

Termine Impfung Kanton Zürich
Registrierte Impfwillige haben Mühe damit, wie der Kanton Zürich über freigegebene Termine und Impfgruppen informiert. - Screenshot Twitter

Zumindest im Kanton Bern war das durchaus miteinkalkuliert. Gundekar Giebel verweist darauf, dass es nicht genügend Impfstoff und darum beschränkte Termine hatte.

Darum verzichte der Kanton Bern auf aktives Kontaktieren der jeweiligen Gruppen. «Es scheint unserer Meinung nach der beste Weg zu sein, eine gewisse ‹Gerechtigkeit› in der Terminvergabe walten zu lassen.» Die betreffenden Personen müssen sich jeweils selbst melden, «nach dem Prinzip: first come, first serve.»

Noch freie Termine

So aber muss der Kanton Bern stattdessen letzte Woche aktiv darauf aufmerksam machen, dass noch Impftermine zu vergeben wären. Das tut er wiederum via Twitter, nicht per SMS, obschon die Kontaktdaten der säumigen Impfwilligen ja registriert sind.

Genau umgekehrt verfährt zum Beispiel der Nachbarkanton Aargau: Mit dem Benachrichtigungs-SMS erhält man dort auch gleich einen Termin zugeteilt. Mit dem Nachteil, dass man diesen zwar absagen, aber nicht beliebig verschieben kann.

Sollen zuerst alle Impfwilligen mit Risikofaktoren geimpft werden, bevor die breite Masse einen Termin erhält?

Doch auch der Kanton Bern hat bereits Registrierte aktiv benachrichtigt. Bei der Gruppe A sah man ein, dass diese eventuell nicht so «digital affin» seien und schickte einen Brief.

Nur musste die Gesundheitsdirektion ein paar Tage später dann doch noch wieder via Medienmitteilung nachdoppeln. Der Brief sei ernst gemeint – auch wenn er am 1. April verschickt wurde.

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