«Black Bag» ist ein hochkarätig besetzter Spionage-Krimi
In Steven Soderberghs Agententhriller sucht ein Spion einen Verräter in den eigenen Reihen. Zu den Verdächtigen zählt auch seine Ehefrau.

In einem Interview der britischen Zeitung «The Independent» mutmasste US-Regisseur Steven Soderbergh kürzlich, das Kinopublikum habe keine Ahnung, wer er sei. Zur Erinnerung: Der 62-Jährige lieferte Filmhits wie «Erin Brockovich», «Ocean's Eleven» oder «Magic Mike» und gewann für «Traffic» den Oscar als Bester Regisseur. Nun kommt sein neuer Film in die Kinos – und Soderbergh sorgt sich um seinen Berufsstand.
«Black Bag», der in den USA und Grossbritannien schon im März gestartet ist, blieb nämlich an den Kinokassen trotz hochkarätiger Schauspieler – in den Hauptrollen Michael Fassbender und Cate Blanchett, als Nebendarsteller unter anderem Pierce Brosnan – weit hinter den Erwartungen. Das ist umso bitterer, als der clevere, stylishe Spionage-Thriller Soderberghs bester Film seit Jahren ist.
Darum geht's in «Black Bag»: Der britische Geheimdienst erfährt, dass Informationen über ein streng geheimes und gefährliches Programm mit dem Codenamen «Severus» nach aussen durchgesickert sind. Agent George Woodhouse (Fassbender) erhält den Auftrag, den Maulwurf in den eigenen Reihen zu enttarnen. Nur eine Handvoll enger Kollegen kommt dafür infrage, darunter auch Georges Ehefrau Kathryn (Blanchett), die ebenfalls Geheimagentin ist.
George lädt vier weitere Verdächtige zum Abendessen ein: den Einsatzleiter James (Regé-Jean Page), dessen Freundin Zoe (Naomie Harris), die Psychiaterin des Geheimdienstes, ausserdem die Satellitenbildspezialistin Clarissa (Marisa Abela) und deren Freund, den Einsatzleiter Freddie (Tom Burke). In das Essen hat George ein Mittel gemischt, das die Hemmschwelle senkt. Die Konversation beim Dinner eskaliert und bringt unangenehme Geheimnisse ans Licht, aber keine Hinweise auf «Severus».
Am selben Abend ereignet sich andernorts ein unerwarteter Todesfall, der die Situation für George verschärft. Während er seine Ermittlungen vertieft und dabei weder vor unkonventionellen Mitteln noch der Überwachung seiner eigenen Frau zurückschreckt, wird seine Ehe auf eine harte Probe gestellt. Die Stimmung innerhalb des Teams ist vergiftet. Wer lügt? Wer manipuliert wen? Und wem kann George bei der Suche nach der undichten Stelle überhaupt noch trauen? Ihm bleibt nur wenig Zeit, um eine Katastrophe zu verhindern.
Begriff steht für eine verdeckte Operation
«Black Bag» ist kein Actionkracher, sondern ein clever konstruierter Thriller zum Miträtseln, eine gelungene Mischung aus Agatha-Christie-Krimi und «The Ipcress File» (1965). Michael Fassbenders Agent Woodhouse erinnert mit seiner markanten, schwarz gerahmten Brille sicher nicht zufällig an den Agenten Harry Palmer, den Michael Caine in mehreren Filmen verkörperte.
Soderberghs ruhiger, brodelnder Thriller punktet mit spannenden Charakteren, messerscharfen Dialogen und Humor – und fesselt bis zur Auflösung. Das macht auch und gerade wegen der hervorragenden Besetzung Spass.
Das Drehbuch schrieb David Koepp, zu dessen vielen Erfolgen als Autor und Co-Autor «Jurassic Park», der erste «Mission: Impossible»-Film und der Jodie-Foster-Thriller «Panic Room» zählen.
Für Kamera und Schnitt zeichnete Soderbergh wie bei vielen Filmen zuvor selbst verantwortlich – unter seinen bekannten Alias-Namen Peter Andrews und Mary Ann Bernard. Genauso stylish, wie seine Stars angezogen sind, ist die gesamte Hochglanz-Optik des Films mit den ästhetischen Kulissen. Obwohl die Story hochmodern ist, hat der Film optisch ein leichtes Retro-Flair.
Der britische DJ und Komponist David Holmes, der schon die Musik für Soderberghs «Out Of Sight» und die «Ocean's»-Trilogie komponiert hat, sorgt hier abermals für eine groovige Klangkulisse. Sein jazzig-funkiger Soundtrack erinnert entfernt an coole Filmmusik-Klassiker wie «Bullitt» von Lalo Schifrin oder «Get Carter» («Jack rechnet ab») von Roy Budd.
Obwohl «Black Bag» – der Begriff steht für eine verdeckte Operation – stilistisch wenig mit den actionreichen James-Bond-Filmen gemeinsam hat, gibt es mehrere Verbindungen zu 007. Fassbender und Page wurden in britischen Medien lange als mögliche Bond-Darsteller gehandelt. Naomie Harris spielte in den letzten drei Bond-Filmen Miss Moneypenny. Ein gelungener Gag ist obendrein, dass mit Pierce Brosnan ein Ex-007 den steifen Chef von George und Kathryn spielt.
Es stellt sich also wirklich die Frage, warum «Black Bag» unter diesen Aspekten den kommerziellen Erwartungen nicht gerecht werden konnte. Für seinen Regisseur ist es ein Grund zur Besorgnis. «Wenn ein starbesetzter Film mit mittlerem Budget heute keine Menschen über 25 mehr ins Kino locken kann», so Soderbergh, «dann ist das keine gute Entwicklung für das Kino.» Schade ist es allemal. Denn es lohnt sich, «Black Bag» auf der grossen Leinwand zu geniessen.