Wirecard-Skandal: Rechnungshof prüft Rolle von Bafin und Ministerium
Im Wirecard-Skandal gerät nach der Bafin auch das Finanzministerium unter Druck. Der Bundesrechnungshof hat eine entsprechende Untersuchung angekündigt.

Das Wichtigste in Kürze
- Der Rechnungshof nimmt die Finanzaufsicht Bafin und das Finanzministerium unter die Lupe.
- Sie sollen beim Milliardenbetrug bei Wirecard eine Rolle gespielt haben.
Der Bundesrechnungshof nimmt nun die Finanzaufsicht Bafin und das Bundesfinanzministerium ins Visier. Dies wegen des Bilanzskandals um den mutmasslichen Milliardenbetrug beim Dax-Konzern Wirecard.

«Wir werden das System der Aufsicht – Struktur und Risikomanagement am Beispiel Wirecard – untersuchen. Und warum die Bafin offenbar die Anhaltspunkte nicht aufgegriffen hat.» Das sagte der Bundesrechnungshof-Präsident Kay Scheller dem «Spiegel» (Donnerstag).
«Wir werden dabei auch prüfen: Wie sind das Bundesfinanzministerium und die Bafin mit den Vorwürfen falscher Bilanzen sowie mit den Berichten der Wirtschaftsprüfer umgegangen?»
Fall bereits durch europäische Finanzaufsicht untersucht
Für die Bafin ist dies bereits die zweite angekündigte Überprüfung möglicher Mängel und Fehler im Fall Wirecard. Zuvor hatte schon die EU-Kommission die europäische Finanzaufsicht Esma auf den Fall angesetzt.
«Jahrelang wurden Hinweise gegeben, unter anderem durch journalistische Recherchen. Es stellt sich die Frage, ob die Bafin da ausreichend hingeschaut hat», sagte Scheller dem «Spiegel». «Hier sind bedeutende Fragen unbeantwortet – und daher ist auch der Bundesrechnungshof gefordert. Es gibt offensichtlich Lücken im Aufsichtssystem.»

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte seinerseits bereits angekündigt, die Aufsicht verbessern zu wollen. Nun muss sich auch sein Ministerium Fragen stellen.
Wirecard hatte im Juni mutmassliche Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt gegen mehrere ehemalige und aktive Manager, inklusive des vom Aufsichtsrat nachträglich gefeuerten Ex-Vorstandschefs Markus Braun. Eine zweite Schlüsselfigur hat sich mit unbekanntem Aufenthalt mutmasslich nach Übersee abgesetzt: der ehemalige Vertriebsvorstand Jan Marsalek. Die britische «Financial Times» hatte seit 2015 über Unstimmigkeiten in den Bilanzen des Zahldienstleisters berichtet.
Bafin: Keine volle Aufsicht über Wirecard
Die Bafin selbst hat mehrfach darauf hingewiesen, dass sie nicht die volle Aufsicht über Wirecard hatte. Dies, weil lediglich die Tochterbank des Skandalunternehmens aus dem Münchner Vorort Aschheim als Finanzdienstleister eingestuft war. Nicht jedoch der gesamte Konzern.

Und für die Kontrolle von Unternehmensbilanzen war nach bisheriger Rechtslage in erster Linie auch nicht die Bafin zuständig. Sondern die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR).
Nach Schellers Worten war die grundsätzliche Problemstellung, dass Wirecard sowohl ein Fintech-Unternehmen als auch eine Bank sei, «allen bekannt». «Hierauf hätte man das Aufsichtssystem ausrichten sollen und aus heutiger Sicht auch müssen.»
Prüfer EY ebenfalls unter Druck
Ebenfalls in der Kritik ist die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, die die Jahresbilanzen bei Wirecard seit 2009 geprüft und testiert hatte. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Scheinumsätze bereits seit Jahren in die Bilanzen einflossen.

Verbesserungsbedarf bei Aufsicht und Bilanzprüfung sieht auch das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland. Dies, ohne dass dessen Vorstandssprecher Klaus-Peter Naumann EY angriff.
Ein Vorschlag des IDW: Unternehmensvorstände sollten gesetzlich verpflichtet werden, ein angemessenes internes Kontrollsystem für die Rechtstreue ihrer Firmen einzurichten. Ein weiterer Vorschlag: Die Bilanzprüfer sollten nach Hinweisen auf Manipulationen bei Unternehmen öffentlichen Interesses verstärkt «forensische Methoden» einsetzen - also Verdachtsmomenten gezielt nachgehen.