Das Corona-Jahr 2020 war mit seinen Lockdowns und den Problemen in den Lieferketten eine massive Herausforderung für Unternehmen in ganz Europa.
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Umstrittene neue Massnahmen gegen missbräuchliche Konkurse. (Symbolbild) - Pixabay

Eine Welle von Firmenpleiten ist dem alten Kontinent dennoch bislang erspart geblieben, wie eine am Donnerstag veröffentlichte Studie der Wirtschaftsauskunftei Creditreform zeigt. Grund für eine Entwarnung sieht die Wirtschaftsauskunftei darin aber nicht.

Im Gegenteil: Der Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch, befürchtet einen «deutlichen Insolvenzanstieg» in diesem und im nächsten Jahr. Die Entwicklung der Firmenpleiten in Europa spiegle nicht die wahre wirtschaftliche Situation vieler Branchen und Unternehmen wider, warnte Hantzsch.

Voraussichtlich würden die Folgen der coronabedingten Verwerfungen in der Gesamtheit erst in den kommenden Jahren sichtbar werden. «Die Insolvenzwelle dürfte mit Auslaufen der Hilfsmassnahmen Fahrt aufnehmen», sagte Hantzsch. Schliesslich habe bereits vor der Krise mehr als jedes fünfte Unternehmen in Westeuropa mit seinem Geschäftsmodell keine Gewinne erzielt.

In einer kürzlich veröffentlichten Studie war Creditreform zusammen mit dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zu dem Ergebnis gekommen, dass allein in Deutschland in der Pandemie rund 25'000 Unternehmen durch staatliche Hilfen künstlich am Leben erhalten worden seien. Dennoch glaubt Hantzsch nicht an einen plötzlichen «Insolvenz-Tsunami»: «Wir rechnen mit einer langgezogenen Delle, nicht mit einer grossen Welle.»

Insgesamt wurden 2020 in den 15 westeuropäischen EU-Ländern sowie Norwegen und Spanien laut Creditreform rund 120'000 Unternehmensinsolvenzen registriert - ein Rückgang um 26,9 Prozent gegenüber 2019. Damit sank die Zahl der Unternehmensinsolvenzen trotz der durch die Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Turbulenzen auf den geringsten Wert seit drei Jahrzehnten.

Als einziges Land in Westeuropa meldete Irland einen leichten Anstieg der Firmenpleiten. Auch in den Staaten Mittel- und Osteuropas sank die Zahl der Firmenpleiten um 8,8 Prozent auf 44'782. Hier verzeichneten drei Länder - Bulgarien, Tschechien und Estland - gegen den allgemeinen Trend einen Anstieg der Fallzahlen.

Staatshilfen für die von den Pandemiefolgen getroffen Firmen hätten europaweit bei der Verhinderung einer Pleitewelle eine grosse Rolle gespielt, betonte Creditreform. «Fast alle nationalen Regierungen mussten mit umfangreichen Hilfsmassnahmen Unternehmen und Branchen unter die Arme greifen, die von den coronabedingten Einschränkungen stark betroffen waren.» Auch Änderungen im Insolvenzrecht hätten dazu beigetragen, eine Kettenreaktion zu verhindern.

Auch in der Schweiz ist die Zahl der Insolvenzen im vergangenen Jahr zurückgegangen, wie Creditreform Anfang Jahr berichtete. So sank die Zahl der Firmenkonkurse aufgrund von Überschuldung im Vergleich zu 2019 um 16 Prozent. Als Grund nannte der Verband die staatlichen Hilfen wie Notkredite und Härtefallregelungen für bestimmte Branchen. Dadurch entwickle sich die Zahl der Insolvenzen «paradoxerweise» nach unten.

Im neuen Jahr waren bei den Firmenpleiten Anzeichen einer Trendwende auszumachen. So lagen die Insolvenzen im März gar um rund 22 Prozent über dem Vorjahreswert. Für das gesamte erste Quartal ergab sich aber noch immer ein Rückgang von 8 Prozent auf 1'741 Firmenkonkurse, wie Creditreform Mitte April mitteilte.

Da die Zahl der Firmenkonkurse ab dem April 2020 jeweils deutlich unter den Vorjahreswerten lagen, müsse jetzt wohl wieder mit Werten gerechnet werden, die darüber liegen, so die Creditreform weiter. Wie sich die Zahl der Konkurse entwickle, hänge nicht nur von weiteren Lockerungsschritten ab, sondern auch von der Wirksamkeit der Direkthilfen des Bundes für die Wirtschaft.

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