Schweizer geben immer weniger für Lebensmittel aus
In der Schweiz werden durchschnittlich nur 6,8 Prozent des Bruttoeinkommens für Lebensmittel ausgegeben. Das liege an verschobenen Prioritäten, so der Experte.

Das Wichtigste in Kürze
- Schweizer geben nur 6,8 Prozent ihres Bruttoeinkommens für Lebensmittel aus.
- Grund dafür ist der hohe Wohlstand im Land.
- Und die Konsumprioritäten hätten sich verschoben, erklärt der Experte.
Anfang Woche löste eine Ankündigung Aldis für Aufregung, den Preis für ein halbes Kilo Brot auf 99 Rappen zu senken.
Die grossen Detailhandels-Konkurrenten Lidl, Denner, Migros und Coop kündigten in der Folge an, nachzuziehen. Doch an der Billig-Strategie der Detailhändler kam auch Kritik auf.
Eine Nau.ch-Umfrage zeigte: Viele sind skeptisch, was die Qualität des Billig-Brotes angeht. Und kaufen ihr Brot lieber beim Beck.
Zudem warnten Experten davor, der Ramsch-Preis für das Grundnahrungsmittel werde zu mehr Foodwaste führen. Der Preiskampf sei ökologisch und sozial verheerend.
Es zeigt sich aber auch: In der Schweiz wird immer weniger für Lebensmittel ausgegeben. Aktuell durchschnittlich nur noch 6,8 Prozent des Bruttoeinkommens.
Doch warum ist das so?
Subventionen landen in Form von niedrigen Preisen beim Kunden
Historiker Peter Moser, dessen Forschungsschwerpunkte auf Agrar- und Ernährungsgeschichte liegen, erklärt: «Weil mit steigenden Einkommen die Ausgaben für die Ernährung für die meisten Menschen an Bedeutung verlieren.»
Zudem würden die staatlichen Subventionen nicht den Landwirtinnen und Landwirten zugutekommen. Stattdessen würden sie «in Form von immer billigeren Preisen der Agrarprodukte an die Verarbeiter und Konsumenten weitergegeben».
Hinzu komme, dass «Nahrungsmittel von den Händlern als Lockvögel eingesetzt» würden. Dies, weil der Kauf von Nahrungsmitteln die Leute regelmässig in die Läden bringe.
Konkret heisse das: «Wer Brot immer billiger anbietet, rechnet damit, dass die Leute beim Kauf noch andere Produkte als nur Nahrungsmittel kaufen.»
«Die Konsumprioritäten haben sich verschoben»
Die Hauptursache für den immer kleiner werdenden Ausgabenanteil für Lebensmittel liege am Wohlstand, erklärt Konsum-Experte Christian Fichter. Denn: «Der Anteil der Lebensmittelausgaben sinkt mit steigendem Einkommen.»
Die Schweiz gehöre weltweit zu den Ländern mit dem tiefsten Anteil. Lebensmittel seien im Verhältnis zum Einkommen günstiger geworden.
Und, so Fichter: «Die Konsumprioritäten haben sich verschoben. Statt ins Essen investieren viele lieber in Freizeit, Reisen oder Technologie.»
Aber bedeutet das auch, dass den Schweizerinnen und Schweizern die Qualität der Esswaren weniger wichtig ist als früher?
«Man spart beim Alltäglichen»
«Teilweise ja», meint Konsum-Experte Fichter. «Essen ist heute weniger identitätsstiftend als früher.»
Denn in den 1980er-Jahren habe Essen als Ausdruck von Kultur und Lebensstil gegolten. «Heute definieren sich viele über Erlebnisse oder Gadgets.»
Aber, so Fichter: «Das bedeutet nicht, dass Qualität unwichtig geworden ist – sie wird einfach selektiv gesucht. Man spart beim Alltäglichen, gönnt sich dafür punktuell das Besondere.»
Ein Teil der Bevölkerung habe wegen der Teuerung auch keine andere Wahl, als bei den Lebensmitteln zu sparen.
«Wohnen und Krankenkassen nehmen einen immer grösseren Anteil des Budgets ein», so Fichter. «Und beim Essen lässt sich kurzfristig am einfachsten sparen.»