Brot «verramscht»: Foodwaste wird wegen tiefem Brotpreis zunehmen
Die grossen Schweizer Detailhändler lieferten sich in den vergangenen Tagen einen Preiskampf beim Brot. Das wird zu mehr Foodwaste führen, warnen Experten.

Das Wichtigste in Kürze
- Schweizer Detailhändler liefern sich beim Brot seit Montag einen Preiskampf.
- Ein wichtiges Grundnahrungsmittel werde so «verramscht», findet ein Konsum-Experte.
- Eine Preissenkung sei ein Rückschritt beim Foodwaste, erklärt ein Foodwaste-Experte.
Am Montag lancierte der deutsche Detailhändler Aldi in der Schweiz einen Preiskampf um das Grundlebensmittel Brot.
Nur noch 99 Rappen soll das halbe Kilo Brot – auch Pfünderli genannt – bei Aldi kosten. Auch Lidl und Denner zogen in der Folge nach. Ebenso die Migros und Coop.
Ein halbes Kilo Brot für unter einen Franken also. Das kommt nicht nur gut an, wie eine Nau.ch-Strassenumfrage am Mittwoch zeigt.
Billig-Brot: Leute sind skeptisch
Der Tenor dort: 99 Rappen für ein Brot sei «vielleicht zu billig». Viele glauben, der tiefe Preis schmälere die Qualität des Brotes.
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«Die Frage stellt sich, ob man das Brot wirklich essen kann und was da alles drin ist», meint eine Passantin. Und fragt sich: «Woher kommt die Ware? Wie wird es angebaut? Von wem wird es geerntet?»
Nebst der Frage nach der Qualität stellt sich jedoch auch die Frage: Sorgt der tiefe Preis bei Brot zu mehr Foodwaste?
«Das Brot wirkt fast gratis– man nimmt es mit, ohne nachzudenken»
«Ja, das ist sehr plausibel», erklärt Foodwaste-Experte Claudio Beretta. Er forscht an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften zu Nachhaltigkeit und Food-Waste-Vermeidung.
«Wenn Brot so günstig wird, steigt die Versuchung, mehr zu kaufen, als man tatsächlich benötigt», so Beretta.
«Gerade bei einem Preis von nur einem Franken verliert das Produkt an wahrgenommenem Wert. Und was wenig kostet, wird auch leichter entsorgt.»
Und auch Konsum-Experte Christian Fichter warnt: «Ein Franken liegt unter der psychologischen Schmerzgrenze des Bezahlens. Das Brot wirkt fast gratis– man nimmt es ohne nachzudenken mit, und isst es dann womöglich nicht.»
«Der günstige Preis überlagert den eigentlichen Nutzen»
Grund dafür sei das Belohnungssystem im Gehirn, so Fichter. Das gebe bei niedrigen Preisen das Gefühl, ein «Schnäppchen» zu machen.
Fichter erklärt: «Der Preis selbst wird zur Belohnung – nicht das Produkt. Der günstige Preis überlagert den eigentlichen Nutzen.»
Beim Brot sei ein solcher Preiskampf besonders kritisch, so Claudio Beretta. «Brot gehört schon heute zu den am häufigsten weggeworfenen Lebensmitteln.»
Denn: «Niemand kauft Brot mit der Absicht, es zu entsorgen – aber viele kaufen ‹grosszügig›, in der Annahme, alles zu konsumieren.»
«Ein solcher Preiskampf ist ökologisch und sozial nicht nachhaltig»
Doch dahinter verberge sich ein Problem, erklärt der Foodwaste-Experte. «Am nächsten Tag locken erneut frische Brote und Sonderangebote. Und der Preis macht es noch schwerer, dieser Verführung zu widerstehen.»
Eine Preissenkung sei daher mit Blick auf Foodwaste ein Rückschritt – auch in Bezug auf die Nachhaltigkeit.
«Ein solcher Preiskampf ist ökologisch und sozial nicht nachhaltig», so Beretta. «Schon heute decken Lebensmittelpreise die tatsächlichen Kosten – etwa für Umweltschäden oder Pestizidrückstände im Trinkwasser – bei weitem nicht ab.»
Er erklärt: «Diese Kosten trägt letztlich die Allgemeinheit. Wenn der Preisdruck weiter steigt, werden Produzierende noch schlechter entlöhnt, die Umwelt stärker belastet und die gesellschaftliche Fairness weiter untergraben.»
Wichtiges Grundnahrungsmittel wird «verramscht»
Und auch Konsum-Experte Christian Fichter kann dem Preiskampf ums Brot nichts abgewinnen.
«Das sind klassische Lockvogelangebote. Das Brot wird unter Wert verkauft, um Kundschaft in den Laden zu ziehen», findet er.
Und: «Kurzfristig profitieren Konsumenten, langfristig schadet das aber der Wertschöpfungskette – vom Getreidebauern bis zur Dorfbäckerei.»
Wenn ein wichtiges Grundnahrungsmittel wie Brot «verramscht» werde, verliere man die Wertschätzung «für das Produkt und für die Arbeit dahinter».