Gericht muss nach Crash entscheiden: Vorsatz oder Fahrlässigkeit
Am 27. November 2019 kam es auf der A3 Richtung Zürich zu einem Crash. Dabei kamen drei Menschen ums Leben. Nun soll ein Urteil gefällt werden.

Das Wichtigste in Kürze
- Im November 2019 kam es zu einem schweren Unfall, bei dem drei Leute ums Leben kamen.
- Beim Unfall gibt es Hinweise auf suizidale Absicht.
- Am Mittwochnachmittag soll nun ein Urteil gegen den Angeklagten fallen.
Heute (Dienstag) fand der zweite Verhandlungstag im Prozess um einen Verkehrsunfall mit drei Todesopfern im November 2019 statt. Der Verteidiger hat beim Unfall im Kanton Aargau auf Fahrlässigkeit plädiert. Der Ankläger forderte eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Tötung. Das Urteil folgt am Mittwochnachmittag.
In seinem Plädoyer vor dem Bezirksgericht Brugg AG erklärte der Staatsanwalt, er habe «erhebliche Zweifel» an der Erinnerungslücke des Beschuldigten. Dies bezüglich der entscheidenden Phase der Autofahrt und des Unfallgeschehens. Objektiv sei der Hergang unter anderem durch Aufnahmen der Verkehrsüberwachung erstellt. Was in seinem Kopf vor sich gegangen sei, sage der Beschuldigte nicht.
Hinweise auf suizidale Absicht
Es gebe Hinweise auf eine suizidale Absicht des Beschuldigten während der Unfallfahrt. Der heute 47-Jährige habe aber direkt, allenfalls eventualvorsätzlich gehandelt. Es sei ihm bewusst gewesen, dass er mit seiner Fahrweise unweigerlich Dritte töten würde. Zumindest habe er dies in Kauf genommen.

Der Staatsanwalt forderte eine Verurteilung wegen mehrfacher vorsätzlicher Tötung. Nur der Vollständigkeit halber brachte er die Möglichkeit der Fahrlässigkeit ins Spiel. Mit seinem Antrag einer siebenjährigen Freiheitsstrafe berücksichtigt er die vom Gutachter attestierte maximal mittelgradige Schuldunfähigkeit des Beschuldigten zum Tatzeitpunkt.
Während des Strafvollzugs sei eine ambulante Therapie zu absolvieren. Nach Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Montenegriner für zehn Jahre des Landes verwiesen werden. Die Sperre soll für den gesamten Schengenraum gelten.
Absicht der Selbsttötung
Laut Verteidiger war die Absicht der Selbsttötung zentral für das Geschehen. Wer sich töten wolle, denke nicht daran, das er andere gefährden könnte. Ein Indiz dafür sei, dass der Beschuldigte nicht gebremst habe. Im allerletzten Moment habe der Lebenswillen über den Sterbewillen gesiegt, und er sei nach rechts geschwenkt.
Auf der menschlichen Ebene gebe es nichts zu diskutieren. Es gehe um einen tragischen Unfall, bei dem sinnlos eine Familie ausgelöscht worden sei. Auch sein Mandant habe das selbstverständlich nicht gewollt. Es tue ihm «wahnsinnig leid» und schäme sich zutiefst.

Der Verteidiger forderte eine bedingte Freiheitsstrafe von 20 Monaten wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung. Allenfalls sei eine teilbedingte Freiheitsstrafe von maximal drei Jahren wegen mehrfacher eventualvorsätzlicher Tötung auszusprechen. Auf eine ambulante Massnahme und Landesverweisung sei zu verzichten.
Sohn: «Das Herz aus dem Leib gerissen»
In einem bewegenden Votum erinnerte ein Sohn des getöteten Ehepaars an seine Eltern. «Dieser Mann hat uns das Herz aus dem Leib gerissen», sagt er. Wäre nur einmal ein noch so kurzer Brief von ihm gekommen, hätte das den Schmerz der Geschwister gelindert.
Die Rechtsvertreter der Opferangehörigen beantragten, der Beschuldigte sei als grundsätzlich schadenersatzpflichtig zu erklären. Für die sechs Angehörigen des getöteten 42-Jährigen forderte deren Vertreter zudem Genugtuungszahlungen von total 210'000 Franken. Die vier Angehörigen des getöteten Ehepaars sollen insgesamt 126'000 Franken Genugtuung erhalten.
Signalisierung missachtet
Zum Crash gekommen war es am 27. November 2019 um etwa 09.15 Uhr auf der A3 Richtung Zürich auf Gemeindegebiet Effingen AG, kurz vor dem Bözbergtunnel. Der Beschuldigte missachtete die Signalisation einer Baustelle und die Sperrung der Überholspur. Er raste mit seinem Porsche mit mehr als 150 Kilometern pro Stunde neben der langsam vorankommenden Kolonne her.

Kurz bevor es zur Kollision mit einem schweren Baustellenfahrzeug gekommen wäre, schwenkte er nach rechts in die Kolonne. Der Porsche prallte in einen Renault und drückte ihn in den vor ihm fahrenden Sattelschlepper, wo er zerquetscht wurde. Die drei Insassen - ein 55-jährige Frau, ihr 64-jähriger Ehemann sowie ein 42-jähriger Verwandter - hatten keine Chance.