Coronavirus: Bibliotheks-Kunden verärgert wegen Zertifikatspflicht
Dass in Bibliotheken wegen des Coronavirus Zertifikatspflicht herrscht, sorgt bei vielen Kunden für Kopfschütteln. Auch der Biblio-Verband kritisiert die Regel.

Das Wichtigste in Kürze
- Seit dem 13. September gilt in Schweizer Bibliotheken die Zertifikatspflicht.
- Seither zählen die Bibliotheken weniger Kunden.
- Einige davon werden sogar ausfällig, weil sie die neue Regel nicht akzeptieren wollen.
Eigentlich sind Bibliotheken bekannt für eine ruhige und entspannte Atmosphäre. Doch seit wegen des Coronavirus die Zertifikatspflicht eingeführt wurde, kann es dort auch mal laut werden.
In einer Bibliothek in Freiburg hat ein Mann letzte Woche aus Wut über die neue Regel Bücher um sich geworfen. «Er wurde richtig laut und unflätig uns gegenüber», erzählt eine Bibliotheks-Angestellte zu Nau.ch. Und das ist kein Einzelfall.

«Es gibt einzelne Personen, die wegen der Zertifikatspflicht ausfällig werden», sagt auch Irène Troxler von der Zentralbibliothek Zürich. Die Mehrheit verhalte sich aber regelkonform.
Auch in Bern erlebten die Bibliotheks-Angestellten besondere Szenen. «Es gab wütende Kunden, aber auch solche, die vor Enttäuschung in der Bibliothek in Tränen ausbrachen.» Dies erzählt Barbara Nabulon, Geschäftsleitungsmitglied der Kornhausbibliothek.
Von «Ausreissern» bei Kunden spricht auch Bibliosuisse, der Schweizer Verband der Bibliotheken.
«Regel steht im Widerspruch zum Ethikkodex»
Der Verband kann auch nicht voll hinter der neuen Regel stehen. «Bibliosuisse akzeptiert sie für eine zeitlich eng beschränkte Dauer. Sie steht aber im Widerspruch zum Ethikkodex unseres Berufsverbandes», sagt die stellvertretende Geschäftsführerin Heike Ehrlicher.
Bibliotheken seien gerade in Krisenzeiten «als Orte des Wissens und der Bildung wichtig und unersetzlich.» Bibliosuisse setze sich deshalb dafür ein, dass Bibliotheken in Sachen Coronavirus als «geistige Nahrung» künftig wie Lebensmittelgeschäfte behandelt würden.
Denn die Zertifikatspflicht wirkt sich auch negativ auf die Kundenfrequenz der Biblios aus. «Im September haben wir im Vergleich zum August ein Minus von 10 bis 15 Prozent», sagt Barbara Nabulon. Das Problem bestehe vor allem bei den Kindern, die bei Eltern ohne Zertifikat nicht alleine in die Bibliothek kommen könnten.

Vom Besucher-Rückgang seien nicht nur grosse Bibliotheken wie die Stadtbibliothek Winterthur betroffen. Sondern auch kleine und mittlere Gemeindebibliotheken in allen Landesteilen, so Heike Ehrlicher von Bibliosuisse.